Hisbollah trotzt Hariri-Tribunal
Chef der libanesischen Partei weist Anschuldigungen entschieden zurück
Angehörige der Hisbollah werden offenbar verdächtigt, in den Mord an Rafik Hariri im Februar 2005 verwickelt zu sein. Erst vor wenigen Tagen kritisierte Hassan Nasrallah, Generalsekretär der libanesischen Partei Gottes (Hisbollah), das UN-Tribunal zur Aufklärung des Mordes als »israelisches Projekt«. Kurz darauf erklärte er, Libanons jetziger Ministerpräsident Saad Hariri, Sohn des Ermordeten, habe ihn von den beabsichtigten Anklagen unterrichtet. Danach werde das Tribunal »undisziplinierte Hisbollahangehörige« anklagen, »nicht die ganze Partei«. Die Anklagen würden voraussichtlich im September oder Oktober veröffentlicht »oder wenn die Zeit günstig erscheint«.
Offenbar wurden die entsprechenden Schriftstücke schon 2008 verfasst, noch bevor irgendein Hisbollahmitglied im Zusammenhang mit dem Fall überhaupt verhört wurde, wunderte sich Nasrallah. Bis dahin waren alle Ermittlungen ins Leere gelaufen. Zwölf Hisbollahangehörige und -unterstützer wurden Anfang April dieses Jahres erstmals verhört, sechs weitere sollen folgen. Anschuldigungen auch nur gegen ein einziges Mitglied weise er entschieden zurück, erboste sich der Hisbollah-Chef, der von einem »Komplott« sprach. »Wir sind überzeugt, dass es darum geht, den Widerstand (die Hisbollah), Libanon und die ganze Region anzugreifen«.
Immerhin sei nun klar, fuhr Nasrallah fort, dass es gegen Syrien keine Beweise gibt. Das müsse vor allem jene zum Nachdenken bewegen, die von Anfang an mit den Finger auf Syrien gezeigt hätten. Die politische Bewegung des 14. März (die jetzige Regierung Libanons) müsse ihre damalige Haltung überdenken, die die Libanesen in Freunde und Gegner Syriens geteilt und fast in einen neuen Bürgerkrieg getrieben hätte. Gefragt, ob Hisbollah die Entscheidungen des Sondertribunals respektiere, sagte Nasrallah, das Tribunal stoße »Libanon in eine sehr heikle und komplizierte Situation«. Er sei immer skeptisch gewesen, habe aber die Einrichtung eines solchen Gerichts »prinzipiell unterstützt«. Nur wenn das Tribunal seine Schlussfolgerungen auf »solide und wahre Beweise« stütze, werde man sie akzeptieren.
Solange nicht auch die Rolle Israels untersucht werde, sei das Gericht voreingenommen. Israel habe ein Motiv für den Mord an Rafik Hariri gehabt, die Fähigkeiten, ihn auszuführen, die Kontrolle und das Interesse, Hariri zu töten, »doch eine solche Hypothese zu untersuchen ist offenbar verboten«.
Das Sondertribunal war 2006 durch die UN-Sicherheitsratsresolution 1664 eingerichtet worden, nachdem die libanesische Regierung im Dezember 2005 eine entsprechende Anfrage eingereicht hatte. Es nahm im Juni 2007 seine Arbeit auf, Sitz des Tribunals ist Den Haag in den Niederlanden.
Die Erklärungen Nasrallahs stießen auf unterschiedliches Echo. In der israelischen Zeitung »Haaretz« hieß es, Saad Hariri brauche für sein politisches Überleben die Hisbollah, und das sei ihm »wichtiger als die Familienehre«. Hariri gehe wohl davon aus, dass er »das Schicksal seines Vaters teilen« werde, sollte er die Ermittlungen des Sondertribunals unterstützen, daher unterscheide er »zwischen undisziplinierten Elementen und der Partei«.
Dagegen bezeichnete der libanesische Sportminister Ali Abdullah die Fragen Nasrallahs zur ausgedehnten israelischen Spionagetätigkeit in Libanon als »logisch«, er habe auch das Recht, seine Bedenken gegen eine »Politisierung des Sondertribunals« zu äußern. Vor wenigen Tagen hatte Nasrallah erklärt, Spione für Israel im Telekommunikationssektor könnten Daten manipuliert haben, um Hisbollahangehörige auf die Anklagebank zu bringen.
Nach offiziellen Angaben Beiruts wurden seit April 2009 mehr als 150 Spione für Israel entlarvt. Erst am vergangenen Mittwoch wurde ein Schuldirektor zum Tod verurteilt, weil er 2008 für Israel spioniert haben soll. Der 58-Jährige wurde von einem Militärgericht für schuldig befunden, den Nachbarstaat mit Informationen über die Hisbollah versorgt zu haben. Israels Armeeführung hat derweil angekündigt, in einem virtuellen Manöver einen neuerlichen Einmarsch in Südlibanon zu proben.
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