Mord an zehn Zivilisten in Afghanistan

Brutaler Überfall auf Team ausländischer Ärzte und inländischer Helfer / Anschlag auf ISAF

  • Lesedauer: 3 Min.
Der Mordanschlag auf christliche Helfer in Afghanistan hat in Deutschland Bestürzung ausgelöst. Die Leichen der im Norden des Landes Getöteten wurden am Sonntag zur Identifizierung nach Kabul gebracht.

Berlin/Kabul (Agenturen/ND). Die afghanische Polizei hatte insgesamt zehn von Kugeln durchsiebte Leichname in der Provinz Badachschan gefunden, die zum Einsatzgebiet der Bundeswehr in Afghanistan gehört. Die Leichen seien zur Identifizierung am Sonntag per Hubschrauber aus der nördlichen Provinz Badachschan in die Hauptstadt transportiert worden, erklärte eine Sprecherin der US-Botschaft in Kabul. Unter den Opfern sind sechs USA-Bürger, eine Britin, eine Deutsche und zwei Afghanen. Bei dem deutschen Todesopfer handele es sich um eine 35-jährige Frau aus Sachsen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin.

Die radikalislamischen Taliban haben sich zu der Tat bekannt. Die Polizei prüft aber auch, ob es sich um einen Raubmord gehandelt haben könnte. Die Opfer seien in einer Reihe aufgestellt und erschossen worden, sagte der Polizeichef von Badachschan, Aka Noor Kintos, unter Berufung auf den einzigen Überlebenden des Überfalls. Der afghanische Fahrer war nach eigener Angabe verschont worden, weil er Koranverse zitierte.

»Ich bin empört und erschüttert über den Mord an den Ärzten der christlichen Hilfsorganisation International Assistance Mission«, erklärte der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Wolfgang Kauder, am Sonntag. Die afghanische Polizei müsse alles daran setzen, um die Täter zu ergreifen und zu bestrafen. Zugleich müsse erreicht werden, dass die Afghanen die Sicherheit in ihrem Land garantieren könnten.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte im ARD-Sommerinterview, der militärische Einsatz in Afghanistan könne das Land nicht befrieden. Damit könne man nur Zeit gewinnen, um eine politische Lösung zu suchen. Dabei müsse man auch mit Aufständischen sprechen.

Der Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Jürgen Trittin, nannte den Anschlag erschreckend. »Das zeigt, wie wenig stabilisiert die Lage in Afghanistan heute ist«, sagte er in den »Tagesthemen« am Sonnabend.

Auch die Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, äußerte sich bestürzt über die Ermordung von acht christlichen Helfern. Das Verbrechen führe einem vor Augen, wie falsch die derzeitige Politik sei, sagte Lötzsch. Im Interesse der Entwicklungshelfer, der deutschen Soldaten und der afghanischen Bevölkerung müsse die Bundeswehr sofort abgezogen werden

Der Mord an den zehn Helfern war am Wochenende nicht die einzige Bluttat im nordafghanischen Einsatzgebiet der Bundeswehr. Mutmaßliche Aufständische haben erneut einen regierungsfreundlichen Milizenchef getötet. Vier Leibwächter des Kommandeurs seien bei dem Angriff im Distrikt Imam Sahib in der Provinz Kundus ebenfalls erschossen worden, sagte Distriktgouverneur Mohammad Ajub Hakiar am Sonntag.

Bei einem Selbstmordattentat in Herat auf der Straße zum Flughafen kamen gestern vier Polizisten ums Leben, einer wurde verletzt. Im umkämpften Süden Afghanistans sind fünf Soldaten der NATO-Truppe ISAF getötet worden. Wie die NATO am Sonntag mitteilte, starben die Soldaten bei drei unterschiedlichen Explosionen von Sprengkörpern, die von den radikalislamischen Taliban-Rebellen regelmäßig gegen die ausländischen Truppen eingesetzt werden.

2010 sind bereits mehr als 400 ausländische Soldaten in Afghanistan ums Leben gekommen. Mit mehr als 100 Toten war der Juni der verlustreichste Monat seit Beginn des internationalen Engagements vor mehr als acht Jahren.

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