Afghanistan: Immer mehr Zivilisten als Opfer

UNO-Bericht dokumentiert Anstieg der Gewalt gegen Unbeteiligte vor allem durch Aufständische

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Gewalt in Afghanistan richtet sich immer stärker gegen die Zivilbevölkerung. Das belegt ein Report der UNO.

Kabul (Agenturen/ND). Nach UNO-Angaben vom Dienstag wurden im ersten Halbjahr 2010 bei Kämpfen und Anschlägen in Afghanistan 25 Prozent mehr Zivilisten getötet als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres, die Zahl der getöteten Kinder stieg sogar um 55 Prozent.

Von Januar bis Juni kamen am Hindukusch 1271 Zivilisten ums Leben, wie der UNO-Sondergesandte für Afghanistan, Staffan de Mistura, in Kabul mitteilte. Zudem seien 1997 Zivilisten durch Anschläge sowie Kämpfe zwischen Rebellen und afghanischen sowie ausländischen Truppen verletzt worden, viele davon schwer. »Wir sind sehr besorgt«, sagte de Mistura. Afghanische Kinder und Frauen trügen immer stärker die Hauptlast des Konflikts. »Sie werden in ihren Häusern und Dörfern mehr als je zuvor getötet und verletzt«, so der Sondergesandte. Der UNO-Erhebung zufolge sind Aufständische wie die Taliban für fast drei Viertel der getöteten und verletzten Zivilisten verantwortlich. Die Zahl der Opfer der Rebellen stieg demnach im Vergleich zum ersten Halbjahr um 53 Prozent. Gezielte Attentate auf Zivilisten hätten sich im Vergleich zum ersten Halbjahr 2009 fast verdoppelt. Die Aufständischen würden immer ausgefeiltere Bomben herstellen, warnte de Mistura.

Bei den Einsätzen der internationalen Truppen kommen den Angaben zufolge dagegen immer weniger Zivilisten ums Leben. Die Zahl der bei Luftangriffen getöteten oder verletzten Zivilisten ging laut UNO sogar um 64 Prozent zurück. »Wir müssen weiter den Schwerpunkt darauf legen, den Verlust von unschuldigen zivilen Leben auf ein absolutes Minimum zu senken«, sagte der Oberbefehlshaber der NATO- und US-Einheiten am Hindukusch, General David Petraeus. Sein Vorgänger Stanley McChrystal hatte die Einsatzregeln in Afghanistan bereits deutlich verschärft, um die Zivilbevölkerung besser zu schützen.

Bei einem Selbstmordanschlag im Zentrum der afghanischen Hauptstadt Kabul sind am Dienstag die beiden Attentäter und zwei Fahrer einer privaten Sicherheitsfirma getötet worden. Ein weiterer Mitarbeiter der Sicherheitsfirma sei verletzt worden, hieß es.

Nach dem Mord an zehn Ärzten und Helfern in Nordafghanistan hat sich der Dachverband der in Afghanistan tätigen Hilfsorganisationen (ACBAR) besorgt über die Verschlechterung der Sicherheitslage geäußert. Alle Organisationen würden derzeit ihre Sicherheitsvorschriften überprüfen, sagte ACBAR-Direktor Laurent Saillard. Zu dem Überfall hatten sich die Taliban und die Islamistenorganisation Hisb-e-Islami bekannt.

Die Taliban haben ein auf dem Titel des US-Magazins »Time« erschienenes Foto einer verstümmelten Afghanin als »Propaganda« bezeichnet. Wie das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte Institut SITE mitteilte, wiesen die Taliban in einer Erklärung die Verantwortung für die Verstümmelung von sich. Die USA würden diese »Lügen« veröffentlichen, um von ihrer »klaren Niederlage« in Afghanistan abzulenken. »Time« hatte auf seinem Titelblatt das Bild der verstümmelten 18-jährigen Aischa mit der Frage »Was geschieht, wenn wir Afghanistan verlassen?« versehen. In dem Heft wurde das Martyrium der Afghanin geschildert, die mit einem Taliban in der südafghanischen Provinz Urusgan verheiratet war. Dieser habe ihr Nase und Ohren abgeschnitten, weil sie von Zuhause weggelaufen sei. Die Frau habe Schutz bei der US-Armee und der Organisation Frauen für afghanische Frauen gefunden. Aischa soll in den USA kostenlos operiert werden.

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