MOSEKUNDS MESSE

SPARPREIS

In Herrn Mosekunds Stadt war eine Buchhandlung eröffnet worden, die mit gemütlichen Sitzgruppen zum längeren Lesen und Verweilen einlud. Herr Mosekund machte es sich zur Gewohnheit, dort gelegentlich einzukehren, ein Buch zu lesen, es nach vollbrachter Lektüre wieder ins Regal zu stellen und sich von dem Geld, das er gespart hatte, weil er das Buch nicht kaufte, ein gutes Essen zu genehmigen. Eines Tages geriet er an eine fesselnde, aber hauchdünne Broschüre, die er in kaum zwölf Minuten verschlungen hatte. Leider konnte er sich für ihren Preis gerade so eine Bockwurst und einen Kaffee leisten. Beim nächsten Mal steuerte er zielstrebig die Abteilung Kunst an und blätterte hastig einen unverschämt teuren Bildband durch. Dann begab er sich frohgemut ins beste Restaurant der Stadt.

SCHWERER ANFANG

Um seinen Willen zu schulen und der Nachwelt etwas Bleibendes von monumentaler Größe zu hinterlassen, hatte Herr Mosekund in jungen Jahren beschlossen, in seinem Leben drei Millionen Wetterlimericks zu verfassen. Seitdem saß er täglich am Schreibtisch und reimte. Als er nach einigen Jahrzehnten eine erste Zwischenbilanz zog, musste er feststellen, das ihm bisher klägliche 284 163 Limericks gelungen waren. Die erste Million, seufzte Herr Mosekund, ist eben immer die schwerste.

AUF DIE OHREN

Um für das Alter vorzusorgen, wollte sich Herr Mosekund ein paar individuelle Hörbücher zulegen. Falls ihn seine Augen eines Tages im Stich lassen sollten, würde er sich wenigstens akustisch an seinen Lieblingsromanen delektieren. Er kaufte ein Aufnahmegerät, schaltete es ein und las einige Bücher. Man hörte nichts als das Rascheln von Seiten, Herrn Mosekunds von der Spannung beschleunigten Atem, gelegentlich ein Lachen, Schnaufen und Raunen oder leise Ausrufe wie »Hohoho!«, »Oh nein!« oder »Na bitte!«. Später würde dabei die gesamte Handlung des Buches an seinem inneren Auge vorüberziehen. Begeistert von seiner Idee, lieh Herr Mosekund einem Freund einige dieser Aufnahmen. Der gab sie ihm ein paar Tage später mit der Bemerkung zurück, er habe der Handlung nur teilweise folgen können. Nun ja, dachte Herr Mosekund, er versteht leider nicht besonders viel von Literatur.

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.