Erfolgreiche Mission Jobsicherung

IMK: Arbeitsmarkt kam gut durch die Krise – interner Flexibilisierung sei Dank

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Womit keiner gerechnet hatte, ist eingetreten: Der Arbeitsmarkt ist aus der Krise sogar erstarkt hervorgegangen. Grund dafür seien der Abbau von Arbeitszeitkonten und die Kurzarbeit gewesen, wie eine Studie herausfand.

Derzeit überschlagen sich die positiven Meldungen: Der Aufschwung ist angekommen, der Arbeitsmarkt boomt und Deutschland gilt als Euro-Konjunkturlokomotive. Bei soviel Euphorie fand es das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung angemessen, sich die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt genauer anzuschauen. Fazit der am Dienstag in Berlin vorgestellten Studie: Der hiesige Arbeitsmarkt zeigte sich in der Krise erstaunlich robust, Arbeitgeber und Politik wiederholten die Fehler vergangener Flauten nicht.

In der »Vom Krisenherd zum Wunderwerk?« betitelten Untersuchung verglichen die Arbeitsmarktexperten Alexander Herzog-Stein, Fabian Lindner, Simon Sturn und Till van Treeck die deutsche Beschäftigungsentwicklung während der Krise mit jener von Spanien, Frankreich, Österreich und dem Euroraum insgesamt. Dabei zeigte sich, dass die Vergleichsländer mit Ausnahme von Österreich aktuell vor einer wesentlich schwierigeren Arbeitsmarktsituation stehen als die BRD: Während die Beschäftigung in Spanien um zehn, in Frankreich um knapp zwei und im Euroraum um über zwei Prozent zurückging, konnte die Anzahl der Stellen in Deutschland stabil gehalten werden.

Das, so Gustav A. Horn, wissenschaftlicher Direktor des IMK, habe während der Krise niemand erwartet. Immerhin sei das Bruttoinlandsprodukt 2009 um enorme 4,7 Prozent gesunken. Zum Vergleich: In den Ölkrisen der 1970er waren es nur minus 0,9 Prozent. Die Befürchtung, dass massive Produktionseinbrüche zu Massenentlassungen besonders im Exportsektor führen würden, habe sich aber nicht bestätigt, so Horn weiter.

»Das Beschäftigungswunder ist vor allem der kürzeren Arbeitszeit zu verdanken«, fasste er zusammen. Der Abbau von Arbeitszeitkonten und der flächendeckende Einsatz konjunktureller Kurzarbeit hätten erstens Arbeitsplätze erhalten und zweitens die Einkommen der Arbeitnehmer nicht zu stark verringert. Das habe den Konsum stabil gehalten und so wiederum Arbeitsplätze gesichert.

Nach den vorliegenden Daten wurde die Arbeitszeit massiv reduziert: Um 3,4 Prozent waren die gearbeiteten Stunden pro Arbeitnehmer auf dem Höhepunkt der Krise zurückgegangen. Doch verkürzte Arbeitszeiten und flexible Arbeitszeitkorridore seien nicht nur positiv zu werten, wenn sie nicht in ein schlüssiges Gesamtkonzept eingebettet würden, dämpfte Alexander Herzog-Stein etwaige Jubelarien: Wenn immer mehr Menschen an Sonn- und Feiertagen arbeiten müssten und in Aufschwungphasen Überstunden ansammelten, könnten sie nicht gleichzeitig immer länger arbeiten. Das bundespolitische Ziel der Rente mit 67 scheitere schon daran, dass niemand endlos belastbar sei.

Wer aber darf sich nun den Verdienst um das »Arbeitsmarktwunder« auf seine Fahnen schreiben? Laut IMK ist der Hauptgrund für die ausgebliebene Katastrophe die starke interne Flexibilisierung der Unternehmen, die die Gewerkschaften maßgeblich mit ausgestaltet hätten. Es habe ein fairer Ausgleich zwischen Unternehmer- und Arbeitnehmerinteressen erzielt werden können, sagte Horn.

Als zweite Stütze habe sich die von der Politik massiv unterstützte Kurzarbeiterregelung herausgestellt. Die Arbeitsmarktreformen der vergangenen Jahre hätten dagegen keinen Anteil am glimpflichen Ausgang der Krise, so Horn. Sie setzten auf externe Flexibilisierung, also darauf, dass Unternehmen leichter einstellen und entlassen könnten. Diesen Weg seien die Firmen aber während der Krise kaum gegangen. So konnte die wirtschaftliche Erholung ebenfalls zügig erfolgen, die Unternehmen mussten nicht mühsam neue Belegschaften einstellen.

Das IMK kommt zu dem Schluss, dass diese Erfahrungen sowohl in neuen Krisen als Leitbild dienen als auch den aktuellen Aufschwung stabilisieren helfen könnten. Die Experten empfehlen dazu staatliche Investitionen im Bildungs- und Energiebereich und eine kräftige Lohnerhöhung. Der Spielraum dafür sei vorhanden, er betrage derzeit rund 3,5 Prozent.

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