Es muss wieder neu berechnet werden

Sozialleistungen für Asylbewerber sind nach Ansicht der Bundesregierung verfassungswidrig

Die Sozialbezüge für Asylbewerber und andere Flüchtlinge verstoßen gegen das Grundgesetz und müssen neu berechnet werden. Das geht aus einer Antwort der schwarz-gelben Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Linkfraktion im Bundestag hervor.

Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) regelt seit 1993 den Bedarf sowie die Höhe für hilfsbedürftige Asylbewerber, geduldete Flüchtlinge und zur Ausreise verpflichtete Ausländer in der Bundesrepublik. Im vergangenen Jahr haben 121 918 Migranten Leistungen nach diesem Gesetz erhalten, zwei Drittel von ihnen (etwa 80 000 Menschen) die sogenannte Grundleistung, die etwa 33 Prozent unter dem aktuellen Hartz-IV-Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen bei rund 225 Euro monatlich liegt. Eine »soziale Entrechtung«, so Marei Pelzer, Rechtspolitische Referentin der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, im Gespräch mit ND. Die restlichen Flüchtlinge haben die reguläre Sozialhilfe erhalten.

Die Höhe der Unterstützung nach dem AsylbLG sei auf Grundlage von Kostenschätzungen festgelegt worden, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Diese willkürliche Methode ist offenbar nicht mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Ermittlung der Hartz-IV-Sätze vereinbar, das Anfang des Jahres gefällt wurde. Im Februar hatten die Verfassungsrichter dieses Verfahren als grundgesetzwidrig verworfen, weil die Höhe der Regelsätze ebenfalls anhand von Schätzungen bestimmt wurden und eine nachvollziehbare und transparente Berechnung gefordert. Eine Neuregelung der Leistungen für Asylbewerber aber ist erst nach der Hartz-IV-Reform geplant, die laut Bundesverfassungsgericht bis Ende des Jahres abgeschlossen sein muss.

Die Begründung für die deutlich niedrigeren Leistungsbezüge für Asylbewerber, die seit 1993 nicht erhöht wurden, sind denkbar einfach: Die Flüchtlinge halten sich nur kurzfristig oder vorübergehend in Deutschland auf, »Integrationsbedürfnisse« müssen darum nicht anerkannt werden, so die offizielle Lesart. Bis zur Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes bekamen Flüchtlinge in Deutschland ungekürzte Sozialleistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz.

Zunächst fielen Flüchtlinge nur ein Jahr unter das AsylbLG, inzwischen wurde der Zeitraum auf vier Jahre ausgeweitet. Offensichtlich, um Geld zu sparen. Bezüglich der Verlängerung dieser Zeitspanne heißt es in der Antwort der Bundesregierung: »In den Vordergrund trat der Gedanke der Kosteneinsparung.« Nach vier Jahren wird den Flüchtlingen die normale Sozialhilfe zugestanden. Die durchschnittliche Dauer der Leistungsgewährung betrug bisher 36,6 Monate. Die meisten Leistungsempfänger nach dem AsylbLG (22 833) kommen aus Serbien, Montenegro und Kosovo, 9066 stammen aus Irak, 8796 sind Türken und 6644 sind aus Syrien nach Deutschland geflüchtet.

Mit der anstehenden Korrektur des Gesetzes aber gibt man sich bei Pro Asyl nicht zufrieden. Auch mehr Transparenz in der Leistungsberechnung sei nicht ausreichend, sagt Pelzer gegenüber ND. Sie fordert die »sozialrechtliche Gleichstellung« von Asylbewerbern und deutschen Staatsbürgern und damit die Abschaffung des AsylbLG. Eine Meinung, die auch Ulla Jelpke von der LINKEN, die die parlamentarische Anfrage gestellt hatte, in einer Stellungnahme vertrat. »Schutzsuchende sollen arbeiten dürfen und bei Bedarf Unterstützung erhalten, wie alle anderen auch«, meint die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.

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