Atomgegner zeigen Röttgen die kalte Schulter

Der Bundesumweltminister besuchte das geplante Atommüllendlager in Gorleben

  • Hagen Jung, Gorleben
  • Lesedauer: 2 Min.
Das Aufgebot der Polizei wäre nicht nötig gewesen. Kein einziger Atomkraftgegner »störte« gestern die Ankunft von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) im Wendland. Bewusst ignorierten die Kritiker der atomaren Regierungspläne den Besucher aus Berlin, der zum ersten Mal das umstrittene Salzstock-Bergwerk besichtigte. Noch sei es offen, ob dort hochradioaktiver Müll eingelagert werden kann, betont die Bundesregierung. »Alles beschlossene Sache – der als Endlager völlig ungeeignete Salzstock soll gesundgebetet werden«, meinen die Atomkraftgegner. Sie nehmen es Röttgen übel, dass er erst gestern nach Gorleben kam – zu einem Zeitpunkt also, wo die Laufzeit-Verlängerung für Atomkraftwerke ebenso unter Dach und Fach war wie die Möglichkeit zum Enteignen von Inhabern der Salzrechte in Gorlebens Tiefe.

»Es ist ein Anfang«, so reagierte Norbert Röttgen in Gorleben auf die Frage von Journalisten, warum der Dialog vor Ort »so spät« beginne. Im Rahmen der Salzstock-Erkundung »sollen die Bürger nicht nur zu Wort kommen, sondern sich auch einbringen können«, sagte der Minister. Zu Wort kamen gestern zunächst einige kommunale Mandatsträger. Mit ihnen traf sich Röttgen zu einem Gespräch. Medienvertreter mussten draußen bleiben, ihnen begegnete der Minister später.

Am Nachmittag traf Röttgen dann doch noch auf Gorleben-Kritiker. Allerdings nicht vor dem Bergwerk oder auf der Straße, sondern – ohne Medien – im Gartower Schloss. Dort empfing Andreas Graf von Bernstorff, dessen Salzstock-Rechte durch eine mögliche Enteignung bedroht sind, den Minister zu einer Unterredung. Mit dabei waren Vertreter der evangelischen Kirche, die ebenfalls Salzrechte in Gorleben besitzt. Bereits im Vorfeld dieses vom Minister erbetenen Treffens hatte der Graf erklärt: Sowohl er als auch die Kirchen wollten Röttgen deutlich machen, »dass wir es als unsere Verantwortung ansehen, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um auf dem Rechtsweg das rücksichtslose Vorgehen der Bundesregierung zu verhindern«.

»Wir zeigen ihm die kalte Schulter«: Unter diesem Motto hatten sich kurz vor der Minister-Visite Sprecherinnen und Sprecher von Widerstands- und Umwelt-Initiativen getroffen. Sie erläuterten vor der Presse, weshalb sie der Einladung zum Minister-Gespräch nicht gefolgt waren: Erst nachdem Norbert Röttgen die Weichen mit gestellt habe für die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken und für die Möglichkeit zum Enteignen von Salzrecht-Inhabern, komme er nun zu einer »Medien-Show«. Auch ein Dialog könne die geologischen Mängel des Salzstocks Gorleben nicht aus der Welt schaffen, hieß es seitens der Bürgerinitiative Umweltschutz.

Auch die für Lüchow-Dannenberg zuständigen Landtagsabgeordneten der Opposition im schwarz-gelben Niedersachsen-Parlament waren zur Widerstands-Konferenz erschienen, unter ihnen Kurt Herzog, Umweltpolitischer Sprecher der Linksfraktion. Er kommentierte den Röttgen-Besuch: »Wer mit politischen Entscheidungen längst vollendete Tatsachen geschaffen hat und sich dann im Hochsicherheitstrakt des Endlagerbauwerks oder im Kaminzimmer des Grafen Bernstorff handverlesene Plauderpartner sucht und das Dialog nennt, düpiert 33 Jahre wendländischen Widerstand gegen die Atomanlagen«. Wohl mit Blick auf eine »mobile Endlagerausstellung«, die in einem Dialog-Konzept des Umweltministeriums erwähnt wird, hämte Herzog: Statt eines solchen »Desinformations-Wagens« solle Röttgen lieber einen Speiseeis-Wagen anrollen lassen; das sei besser für die Bürgerinnen und Bürger.

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