Brosamen für Deportierte
»Zug der Erinnerung« demonstriert anlässlich des Bahn-Jubliläums
Trotz klirrender Kälte folgten 500 Demonstranten dem Aufruf des Vereins »Zug der Erinnerung«. Er hatte zu Protesten aufgerufen, weil zahlreiche der Millionen Menschen, die im Dritten Reich von der Reichsbahn in Konzentrationslager deportiert oder zu Zwangsarbeit gezwungen wurden, bis heute keine oder nur geringe Entschädigungszahlungen erhalten haben. Mit Bildern von deportierten Kindern und Transparenten, welche die DB AG zur Verantwortung mahnten, wurden Passanten auf die Thematik aufmerksam gemacht. Ein Mitzwanziger zeigte lediglich Verständnis für die Bahn, die ja staatlich gewesen sei: »Was hätte sie denn machen sollen?«
Am Gedenkstein der Sinti und Roma stoppte der Zug, um an die heute und damals Diskriminierten zu erinnern. Wo einst die jüdische Synagoge stand, erzählte der 85-jährige Holocaust-Überlebende Josef Jakubowicz aus seinem Leben. Er leistete zweieinhalb Jahre für die Reichsbahn Zwangsarbeit, wurde in elf verschiedene Lager deportiert. Barfuß, bei 300 Gramm Brot pro Tag musste er Schwerstarbeit verrichten. Er berichtete »von Bahnangestellten in Uniform, die Kinder mit Puppen gemeinsam mit der SS in die Gaskammern getrieben haben«.
Hans-Rüdiger Minow, Vorstandssprecher des »Zugs der Erinnerung« warf dem Eisenbahnmuseum, wo die Feierlichkeiten stattfinden werden, vor, die E-Lok 19 der Reichsbahn bewusst für die Feierlichkeiten ausgelagert zu haben. Rainer Mertens, der Leiter des Museums, sprach ND gegenüber von »übler Verleumdung«, da dies aus baulichen Gründen geschehen sei. Minow aber geht es auch darum, »dass sie als SS-Devotionalie existiert und 100 000 von Euro in die Restauration gesteckt wurden.« Betroffene in Osteuropa dagegen wurden mit einem Sachwert von 25 Euro pro Person »abgespeist.« »Man müsste die Feiern in das Verhältnis zu dem setzen, was die Opfer erhalten. Das sind nur Brotkrumen, die von den Lachsschnittchen vom Tisch fallen.«
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