Kühl klug

Nina Hoss / Die Schauspielerin ist Jury-Mitglied der am 10. Februar beginnenden Berlinale

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.

Sie kann geisterhaft bleiche Statue sein oder eine flammend Zarte, die hineinschwärmt wie eine gnadenvoll Verrückte nach Liebe. Derzeit, in Gorkis »Kinder der Sonne« am Deutschen Theater, einer Berliner Kult-Inszenierung von Stephan Kimmig, spielt sie, als Ehefrau eines arbeitsversessenen Genforschers, beides zugleich. Ihre Kunst hat Untergrund. In Michael Thalheimers »Faust II« war sie ein durchgeschrubbtes hässliches Entlein der Sonderklasse; ein Häufchen Unglück, das nannte sich Schöne Helena. Eine Schiffbrüchige. Bei ihrer Medea erschütterte die Kraft, ein Putzlappenschicksal zu ertragen. In Hauptmanns »Einsamen Menschen« offenbarte sich die rührend-gefügige Treuherzigkeit einer Ungemochten. Bei Einar Schleefs Bühnenvermächtnis »Verratenes Volk«, vor Jahren, war sie Wärterin der Rosa Luxemburg, in ihrer Härte plötzlich so aufbrechbar, als wäre sie selbst in Haft genommen; da war der Truppe dieses Bühnen-Genius Schleef, der 2001 starb, eine starke Neue zugewachsen.

Und wer sie am BE in Wittenbrinks Liederabend »Zigarren« sah, weiß um die großartigen Koloraturen, die sie singen kann. In Salzburgs Touristenmagnet »Jedermann« gab sie die Buhlschaft – das Pralle in der bislang handelsüblichen Erotik dieser Rolle war plötzlich einer bestechenden Kühle gewichen. Hauptrolle für einen Kopf. Ein Freilufttheaterwagnis.

Ein Prominentenkind, geboren 1975 in Stuttgart. Tochter der Schauspielerin und Intendantin Heidemarie Rohwedder und des langjährigen Daimler-Benz-Betriebsratsvorsitzenden und Grünen-Mitbegründers Willi Hoss. Einer aus Zeiten, da hieß Betriebsrat noch: ehrliche Arbeitervertretung. Letztlich ein Fremdling, wo es um Macht und den Genuss steigender Aufwandsentschädigungen ging.

Nina Hoss hätte nach ihrem ersten großen Fernseherfolg, »Das Mädchen Rosemarie«, sofort eine TV-Karriere starten können. Sie blieb vorsichtig. Sie ließ sich nicht blenden von Scheinwerfern. Von der Schauspielschule »Ernst Busch« in Berlin ging sie ans Deutsche Theater. Filmte bei Doris Dörrie, bei Runze, Vilsmaier. Blieb bodenständig im Höhenflug. Der andauert. Vor allem immer wieder in Filmen von Christian Petzold: dunkel, geheimnisvoll, sehnend.

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