Mehr große Kerle in den Kindergarten

Modellprojekt in Sachsen will den Männeranteil am Kita-Personal erhöhen – derzeit sind es nur 1,3 Prozent

  • Hendrik Lasch, Schwarzenberg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Chance, dass Kita-Kinder in Sachsen nicht nur von Frauen betreut werden, ist gering: Nur 1,3 Prozent der Beschäftigten sind Männer. Ein Projekt im Erzgebirge will das ändern.

Wann ist der Mann ein Mann?, fragte einst der Musiker Herbert Grönemeyer. Ab wann wird ein Mann ein Mann?, ergänzt Peter Wild von der LAG Jungen- und Männerarbeit Sachsen und gibt eine verblüffende Antwort: »Schon im Alter von zwei Jahren beginnt sich das Rollenverständnis zu entwickeln.« Deshalb sei es wichtig, dass auch Kita-Kinder unterschiedliche Muster davon erleben könnten, wie sich Männer und Frauen verhalten.

Die Chancen dazu sind freilich gering. »Oft bringen alleinerziehende Mütter ihre Kinder in Kitas, in denen dann nur Frauen arbeiten«, sagt Maria Groß vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Männer als Vorbilder? Fehlanzeige.

Ein bundesweites Modellprojekt will das jetzt ändern und mehr Männer in Kitas holen. In Sachsen erhielt die Volkssolidarität Westsachsen den Zuschlag. Sie betreibt zehn Kitas mit 100 Mitarbeitern – darunter derzeit zwei Männer. Die Quote liegt damit im bundesweiten Schnitt von 2,4 Prozent und ist höher als im Freistaat insgesamt, wo nur 1,3 Prozent des Personals in Kitas Männer sind.

Beruf und sozialer Status

In westdeutschen Großstädten wie Bremen oder Frankfurt am Main liegt der Wert bei fast zehn Prozent; es gebe aber »große Unterschiede zwischen Ost und West sowie Stadt und Land«, sagt Wild. Damit der Anteil steigt, müssten vor allem Vorurteile ausgeräumt werden, »in der Gesellschaft, bei Eltern und bei Erzieherinnen«, so Volkssolidarität-Geschäftsführer Béla Ullmann. Hauptproblem sei, dass der »soziale Status« des Berufs nicht hoch sei – deutlich niedriger als die Anforderungen, die an Bildungsarbeit in Kitas gestellt werden. In der Öffentlichkeit dominiert ein eher antiquiertes Bild.

Eine Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums verwies daneben auf fehlende Aufstiegsmöglichkeiten und geringe Einkommen. Allerdings stimmen Klischee und Realität oft nicht überein, sagt Wild. Er verweist auf den bei Jungen populären Beruf Mechatroniker: »Der Tarif liegt nur 38 Euro über dem des Erziehers.«

Den Projektbeteiligten ist daher klar, dass vor allem psychologische Barrieren zu beseitigen sind. Dazu sollen einjährige Praktika in Kitas beitragen, die Schülern von erzgebirgischen Mittelschulen angeboten werden. Quereinsteiger sollen über Einstellungsbedingungen und Ausbildung informiert werden. Zudem soll durch eine Ausstellung, Plakate, einen Film und eine Internetseite bei Jungen und Männern für den Beruf geworben werden. Nicht geplant sei, die Quote kurzfristig durch verkürzte Ausbildung zu erhöhen: »Einen Crashkurs für Männer wird es nicht geben«, sagt Projektleiterin Maria Groß.

Bösartige Klischees

Neben dem Umstand, dass der Beruf der Erzieherin traditionell als Frauendomäne gilt, gebe es eine weitere Hürde zu überwinden. Männer, die sich für die Arbeit in einer Kita entscheiden, gelten oft »entweder als schwul, pädophil oder beides«, räumt Wild ein. Auch mit dem Klischee müsse man sich »sensibel, klar und präventiv auseinandersetzen«, sagt er.

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