Ölspur durchzieht Italiens Fußball

Wie Petrodollar von Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi die Vereine der Serie A beeinflussen

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.

110 Milliarden Euro sind die libysche Staatsholding LIA (Libyan Investment Authority) und deren organisatorischer Vorläufer Lafico (Libyan Arab Foreign Invenstment Company) schwer. Ein beträchtlicher Teil dieser Gelder steckt in italienischen Unternehmen – und in Fußballklubs wie Juventus Turin und AS Rom. Wegen dieser Verquickung zögerte Italien bislang, das Vermögen des Gaddafi-Clans einzufrieren, wie es von der US-Regierung und einigen EU-Ländern bereits sanktioniert wurde.

Wer Geld in das Unterhaltungsgeschäft investiert, will gut zu sehen sein. Es löst Katastrophen in den Kommunikationsabteilungen aus, wenn ein Firmenlogo nicht an einer für TV-Kameras günstigen Position angebracht ist. Als pflegeleichter Klient hat sich in dieser Hinsicht für Juventus Turin bislang die Lafico erwiesen. Sie besitzt zwar sowohl ein Logo als auch 7,5 Prozent der Aktien des Fußballklubs. Die Manager der Staatsholding aus der ehemaligen italienischen Kolonie zogen es aber vor, stille Teilhaber zu sein. Der arabische Schriftzug, der über den Erdball fliegt, ist bei Juventus niemals zu entdecken.

Beim Turiner Traditionsklub ist man vielmehr bemüht, die Beteiligung herunterzuspielen. »Die Libyer haben sich nie ins operative Geschäft von Juventus eingemischt«, erklärt auf ND-Anfrage eine Vereinssprecherin. Ganz korrekt ist dies nicht. In der Saison 2002/03, als die Lafico frisch bei Juventus eingestiegen war – beim Mutterkonzern FIAT sind Gaddafis Finanzexperten übrigens schon seit 1976 engagiert –, fand der italienische Supercup zwischen Juventus und Parma ausgerechnet in Tripolis statt. Ein Zusammenhang liegt auf der Hand.

Ein weiterer ist privater Natur. In der Saison 2003/04 heuerte Gaddafis drittältester Sohn al-Saadi beim AC Perugia an. Al-Saadi hatte keine sonderlich erfolgreiche Zeit dort. Eine positive Dopingprobe führte zu einer mehrmonatigen Sperre. Doch im Mai 2004 durfte al-Saadi tatsächlich in der Serie A debütieren. Er wurde ausgerechnet bei Perugias 1:0-Sieg gegen Juventus Turin eingewechselt.

Danach zog der technisch begabte, aber trainingsfaule und physisch den Anforderungen der Liga kaum gewachsene Promi-Kicker noch zu Udinese Calcio und Sampdoria Genua. In Udine (nur ein Einsatz) beeindruckte er eher durch seine Allüren. Ivano Molinaro, früherer Portier eines Viersterne-Hotels, erinnert sich in seinem Buch »C'ero anch'io« (Ich war auch da) an eine 15-köpfige Eskorte, ein Zimmer allein für den Dobermann Dina – die Hündin nächtigte im Bett, der Hundeführer wachte auf dem Teppich – und ein Privatflugzeug, das den Bankdrücker und Kumpels häufig zum Einkauf nach Rom oder Paris brachte.

Luciano Gaucci, ehemaliger Besitzer des AC Perugia, erinnert sich noch voller Wärme an seinen prominenten Ex-Angestellten und dessen Vater. Der Pleitier, der sich dem Zugriff der italienischen Justiz durch eine Flucht nach Santo Domingo entzog, betonte jüngst in einem Telefoninterview mit dem Blatt »Il Riformista« seine »wahre Freundschaft« mit Gaddafi senior. »Ich bin besorgt. Ich habe nichts von ihm gehört, wollte ihn aber auch nicht stören, weil er jetzt sehr beschäftigt ist. Ich hoffe, ihm passiert nichts«, meinte Gaucci.

Auch die Großbank UniCredit ist besorgt um ihren Vizepräsidenten. Farhat Omar Bengdara vertrat als Präsident der libyschen Zentralbank nicht nur deren 5 Prozent Anteile an UniCredit, sondern auch die 2,5 Prozent der Libyschen Investmentbehörde LIA. UniCredit wiederum ist Eigner des Fußballklubs AS Rom. Seit dem 22. Februar galt Bengdara als verschwunden. In den vergangenen Tagen meldete er sich aber bei der »Financial Times« und informierte darüber, dass er zwar von Gaddafi abgesetzt sei, die Verhandlungen über die libyschen Auslandsinvestments aber als Mandatsträger der Rebellen fortsetzen möchte.

Das Erdölunternehmen Saras vom Inter Mailand-Besitzer Massimo Moratti wiederum hat als Ersatz für die ausgefallen Lieferungen von Libyens Ölfeldern – sie machten 2010 rund 40 Prozent aus – nun im Kaukasus geordert. Italiens Premier Silvio Berlusconi, dem Gaddafis einstiger Mitrevolutionär Abd al-Munim al-Huni in der römischen Tageszeitung »Repubblica« »besondere persönliche Beziehungen und private Interessen« mit Gaddafi vorwirft, die bisher »konsequente Sanktionen gegen den Diktator verhindert« hätten, zog sich derweil zu einer Kieferoperation zurück.

Weil Berlusconi auch Besitzer des AC Mailand ist, diskutieren die italienischen Tifosi derzeit, welcher Verein sich am engsten mit Gaddafi einlässt. »Für die einen ist er Lieferant, bei anderen sitzt er im Aufsichtsrat und Dritten gilt er als einer, den man küsst«, meinte in einem Internetforum der Nutzer Ye so Pazzo. Eine treffende Bilanz, aber keine schöne.

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