EU macht Griechen zu Spartanern

Staats- und Regierungschefs fordern harte Sparmaßnahmen / Athen beantragt neues Kreditpaket / Italiener Draghi wird neuer EZB-Chef

Die EU weicht in der Griechenland-Krise nicht von ihrem harten Kurs gegenüber Athen ab. Das wurde auf dem zweitägigen Gipfel deutlich, der am Freitag in Brüssel zu Ende ging.
Zeichnung: Harm Bengen
Zeichnung: Harm Bengen

Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedstaaten offiziell ein zweites Kreditpaket für sein Land beantragt. Die Teilnehmer forderten die Finanzminister auf, bis Anfang Juli die notwendigen Entscheidungen zu treffen, erklärte Ratspräsident Herman Van Rompuy in der Nacht zum Freitag. Dem Vernehmen nach verliefen die Verhandlungen kontrovers. Ursprünglich sollte in der Gipfelerklärung ein Passus enthalten sein, wonach bis Anfang Juli bereits die Umsetzung des Pakets möglich sein solle. Weiter unklar ist auch, wie die vom Gipfel bestätigte freiwillige Beteiligung des privaten Sektors ausfallen soll. Die internationale Bankenvereinigung IIF bezeichnete dies am Freitag als »schwieriges Unterfangen«.

Die Staats- und Regierungschefs wichen keinen Deut von der harten Haltung gegenüber Athen ab. Voraussetzung für die Auszahlung der nächsten Tranche aus dem ersten Kreditpaket von Mai 2010 sei die Zustimmung des griechischen Parlaments zu dem geplanten neuen Spar- und Privatisierungsprogramm der Regierung; diesem solle auch die Opposition zustimmen. Zeitgleich zum Gipfel handelten in Athen Vertreter von EU-Kommisssion, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) mit der Regierung die letzten Details des Sparpakets aus. Es sieht unter anderem die Absenkung des Steuerfreibetrages, eine nach Einkommen gestaffelte Solidaritätssteuer und eine Extra-Steuer für Immobilien vor. Die wichtigste Parlamentsabstimmung soll am Dienstagnachmittag stattfinden. Die großen Gewerkschaften und die Bewegung der »Empörten Bürger« kündigten massive Proteste an.

In der EU ist weiterhin das Vorgehen für den Fall unklar, dass das Parlament in Athen nicht zustimmt. »Es gibt keinen Plan B«, sagte der Chef der Eurogruppe, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte »keine Spekulationen anstellen«. Sie zeigte sich nach Abschluss des Gipfels optimistisch, dass die griechische Schuldenkrise und die Belastungen für den Euro überwunden werden können. »Wir werden aus der Krise die richtigen Lehren ziehen.«

Dies dürfte vielerorts eher wie eine Drohung klingen. Aktivisten des globalisierungskritischen Netz- werks Attac protestierten am Freitag in Brüssel gegen die »Politik der Sozialkürzungen und des Demokratieraubs«. »Die in Südeuropa von der EU, der EZB und dem IWF praktizierte Politik ist ein abschreckendes Beispiel dafür, was passiert, wenn eine von oben verordnete Sparpolitik zum einzigen Lösungsansatz mutiert«, erklärte Steffen Stierle, Mitglied im Attac-Koordinierungskreis. Statt die Akteure auf den Finanzmärkten richtig an die Leine zu nehmen, würden Banken und Versicherungen »mit sogenannten Rettungspaketen bei Laune gehalten«.

Da Drohungen allmählich an Wirkung verlieren, stellte der EU-Gipfel auch kleinere Zuckerstückchen für Griechenland in Aussicht. Die Rede ist von Vorschüssen in Höhe von einer Milliarde Euro aus den EU-Regionalfonds zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung. Athen kann den verlangten Eigenanteil nicht aufbringen, um die dem Land zustehenden Mittel abzurufen.

Zum Abschluss ernannten die Gipfelteilnehmer den Italiener Mario Draghi zum neuen EZB-Präsidenten. Er soll im November Jean-Claude Trichet ablösen und die EU-Notenbank für acht Jahre führen. Die Entscheidung verzögerte sich, da Frankreich für sich nach dem Abgang Trichets einen Sitz im EZB-Direktorium einforderte. Dafür räumt nun Italien seinen Platz. Den neue Notenbankchef Draghi wird ebenfalls die Griechenland-Krise vorrangig beschäftigen: Die EZB ist längst der größte Gläubiger Athens.

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