Castor, Kartoffelscheune, Kritik

Greenpeace befürwortet Atommülltransport nach Philippsburg und erntet Widerspruch

  • Felix Werdermann
  • Lesedauer: 3 Min.
Strategiestreit unter Atomkraftgegnern: Nach Gorleben sollen keine Castoren mehr rollen - aber auch in Philippsburg will man den Müll nicht zwischengelagert haben.
Greenpeace-Comic-Kartoffelscheune  nd-screenshot;  Quelle: www.youtube.com
Greenpeace-Comic-Kartoffelscheune nd-screenshot; Quelle: www.youtube.com

Heute will sich die Anti-Atom-Bewegung warmlaufen für die Proteste gegen den für Ende November geplanten Atommülltransport ins niedersächsische Gorleben. Umweltinitiativen rufen zu einem »Castor-Aktionstag« auf, in knapp 60 Städten entlang der voraussichtlichen Transportroute wollen Atomkraftgegner heute auf die Straße gehen. Doch die Mobilisierung zu den Castor-Protesten ist überschattet von einem Streit unter Umweltschützern.

Anlass ist ein Greenpeace-Video, das auf Youtube zu sehen ist. In dem Trickfilm wirbt die Organisation für einen Castor-Transport nach Philippsburg. Der Atommüll solle am dortigen AKW zwischengelagert werden, weil sich dadurch der Transportweg um 550 Kilometer verkürze. Außerdem müsse der strahlende Abfall nicht umgeladen werden, weil der Reaktor an das Schienennetz angeschlossen ist. Danach wird erklärt, dass das Zwischenlager in Gorleben kaum besser als eine Kartoffelscheune sei. Nach knapp drei Minuten endet das Video mit der Forderung: »Kein Atommüll ins Kartoffellager! Zwischenlagerung in Philippsburg genehmigen.«

Als Greenpeace verschiedene Anti-Atom-Gruppen darum bat, den Film im Internet zu verbreiten, bekam die Umweltorganisation eine wütende E-Mail zurück. Die »südwestdeutschen Anti-Atom-Initiativen« empörten sich, dass Greenpeace mittlerweile für Castor-Transporte wirbt, und verfassten prompt eine Presseerklärung. Greenpeace wolle mit der neuen Forderung »scheinbar der Atomindustrie aus der Patsche helfen«, heißt es darin. »Die Atommülltransporte dienen nur einem Zweck: Atomanlagen weiter betreiben zu können und eine Lösung der Atommüllproblematik vorzugaukeln.« Ein möglicher Sicherheitsgewinn durch die Umleitung nach Philippsburg sei »minimal«. In dem Brief schreiben die Gruppen: »Keine Kartoffelscheune ist besser als die andere, eine Diskussion darüber dient nur den Interessen der Atomindustrie.«

Diese Vorwürfe wollte Greenpeace nicht auf sich sitzen lassen und antwortete ebenfalls mit einem Brief. Die hauptamtlichen Atomreferenten schreiben, Greenpeace habe »in der Tat seine Strategie verändert und die Position verlassen, der zufolge jeder Castor-Transport verhindert werden soll, solange der Atomausstieg nicht abgeschlossen ist und solange keine Entscheidung über ein Endlager gefällt ist«. Für eine Lagerung in Philippsburg sprächen jedoch drei Gründe: Gorleben werde nicht als Endlagerstandort zementiert, durch die kürzere Strecke werde das Transportrisiko minimiert und zudem werde das Verursacherprinzip berücksichtigt, wenn der Müll direkt am Atomkraftwerk gelagert werde. Eine »längerfristige Zwischenlagerung« in der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague sei »keine Option«. »Zu Recht verlangen Greenpeace Frankreich und andere Organisationen der französischen Anti-Atom-Bewegung den schnellstmöglichen Rücktransport des deutschen Strahlenmülls nach Deutschland.«

Die südwestdeutschen Anti-Atom-Initiativen sehen das anders: »Mit dem Abtransport aus der Plutoniumfabrik in La Hague wird dort Platz geschaffen für die weitere Abtrennung von atomwaffenfähigem Plutonium und einhergehender Verseuchung der Umwelt.« Französische Atomkraftgegner wollten den diesjährigen Transport bei der Abfahrt stoppen. Greenpeace falle den Aktivisten nun in den Rücken.

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