Kriegerische Rhetorik

  • Otfried Nassauer
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Autor ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BIIS).
Der Autor ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BIIS).

Schimon Peres ist Präsident Israels, Friedensnobelpreisesträger und einer der Väter der israelischen Bombe. Dem 88-Jährigen sind selbst feinste Facetten rhetorischer Eskalation und Provokation in der nahöstlichen Krisendiplomatie nicht fremd. Wenn der letzte liberale Hardliner aus der Gründerzeit Israels zum verbalen Säbel greift, muss man aufhorchen: Ein Krieg gegen Iran werde »immer wahrscheinlicher«, verlautete Peres. Teheran könne »in sechs Monaten« genug Material für eigene Atomwaffen haben. Krieg sei »wahrscheinlicher als eine diplomatische Lösung«. Starker Tobak.

Fast zeitgleich berichteten Medien, Israels Premier Netanjahu und sein Verteidigungsminister Barak hätten versucht, ihr Kabinett von einem Militärschlag gegen Iran zu überzeugen. Der erfolgreiche Test einer nuklearfähigen Langstreckenrakete vom Typ Jericho-3 wurde gemeldet. Israels Luftwaffe bestätigte, in Sardinien Luftangriffe auf weit entfernte Bodenziele geübt zu haben.

Krieg mit Ansage? Wohl eher nicht. Näher liegt, dass das Säbelrasseln in Israel Begleitmusik zum jüngsten Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) über das iranische Atomprogramm war. Mit Yukiya Amano hat die IAEA einen neuen Generalsekretär. Mit ihm wird der Ton schärfer. Urteilte dessen Vorgänger, Mohammed al-Baradei, es sei nicht auszuschließen, dass Iran Forschung für ein militärisches verbotenes Nuklearprogramm betrieben habe, aber auch nicht nachzuweisen, so lautet die Botschaft jetzt: Eine Vielzahl von Indizien deutet darauf hin, dass Iran an einem militärischen Nuklearprogramm gearbeitet haben könnte und vielleicht sogar weiter arbeitet.

Wohlgemerkt: »Könnte«, denn eindeutige Beweise gibt es nicht. Nur wenige Fakten in dem Bericht sind wirklich neu. Allerdings werden das Wissen der IAEA und die Informationen, die ihr zugespielt wurden, so ausführlich dargestellt wie nie zuvor. Die Folgerung: Die Indizien seien schlüssiger zu erklären, wenn Iran an Atomwaffen geforscht habe, als wenn dies nicht der Fall war. Teheran hat zu diesem Urteil beigetragen: Die IAEA wirft Iran vor, seit drei Jahren keinen substanziellen Beitrag zur Aufklärung der Vorwürfe mehr geleistet zu haben.

Israels Hardlinern aber kommt dieser Wandel natürlich gelegen: Seit der Bericht öffentlich wurde, schweigen sie. Sie sehen die internationale Gemeinschaft am Zug. Diese müsse Iran mit scharfen Wirtschaftssanktionen zum Einlenken oder zur Aufgabe zwingen und in letzter Konsequenz auch mit einem militärischen Eingreifen drohen.

Ein weiteres Ziel dürfte Tel Aviv mit seiner kriegerischen Rhetorik bereits erreicht haben. Die westliche Kritik an Israels Siedlungspolitik und seiner mangelnden Bereitschaft, ernsthaft mit den Palästinensern zu verhandeln, dürfte verstummen und Solidaritätsbekundungen weichen. Angela Merkel dürfte zum Beispiel erneut mit der Frage konfrontiert werden, ob sie Israel wirklich weitere Dolphin-U-Boote verweigern will. Trotz der verbreiteten Vermutung, Israel baue diese Boote so um, dass sie als Träger für Atomwaffen dienen können.

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