Castor startet mit Verspätung

Blockaden in Frankreich / Aufwärmaktionen in Deutschland

Noch vor dem Start hielten Atomkraftgegner in Frankreich den Castortransport auf. Während in Deutschland die Endlagerfrage im Vordergrund steht, geht es dort um den Grundsatz.
AKW-Gegner rollen Atomfässer zum Berliner Umweltministerium.
AKW-Gegner rollen Atomfässer zum Berliner Umweltministerium.

Mit Verspätung hat der Castortransport mit hochradioaktivem Atommüll gestern das französische Valognes verlassen. Gegen 16 Uhr setzte sich der Zug mit den elf Behältern in Richtung Gorleben in Bewegung, eineinhalb Stunden später als geplant. Grund für die unfreiwillige Fahrplanänderung waren massive Proteste von französischen Atomkraftgegnern. Rund 500 Menschen, etwa 20 Mal so viel wie in den Jahren zuvor, blockierten die Castorstrecke, holten Steine aus dem Gleisbett und legten Schwellen und Stahlträger auf die Schienen. Die Polizei ging mit Schlagstöcken und Tränengas gegen die Kernkraftgegner vor. Nach Angaben der Präfektur sollen sie ihrerseits Steine und Molotowcocktails geworfen haben. Mindestens zwölf Demonstranten wurden festgenommen. Ein Polizeiwagen ging aus ungeklärten Gründen in Flammen auf.

Der energische Widerstand ist für das atomfreundliche Frankreich ungewöhnlich. Erstmals bei einem der 13 Transporte mit hochradioaktivem Abfall aus deutschen Kraftwerken hat die französische Bewegung »Raus aus der Kernkraft« ein Anti-Atom-Camp eingerichtet. Die Bewegung habe seit der Reaktorkatastrophe in Japan großen Zulauf, sagte eine Sprecherin des Netzwerks. »Wir wollen unseren radikalen Widerstand gegen eine Produktionsweise zeigen, die auf einen immer größeren Stromverbrauch, auf ein Wachstum ohne Ende abzielt«, erklärte eine Demonstrantin. Gegen die Atomkraftgegner wurden in und um Valognes sowie entlang der Bahnstrecke mehrere Hundertschaften der Polizei und zwei Meter hohe Sperrgitter in Stellung gebracht. Die Präfektur hatte ein Abstandsgebot von 500 Metern zu den Gleisen verfügt.

Wann und wo der Zug die deutsche Grenze passieren würde, war gestern nicht klar. Der Atomkonzern Areva, der die Wiederaufbereitungsanlage in La Hague betreibt, und die Staatsbahn SNCF verweigerten dazu jede Auskunft. Atomkraftgegner brachten in Erfahrung, dass für die Fahrt bis zur Grenze sechs verschiedene Strecken und drei alternative Übergänge im Gespräch waren. Je nach den Protestaktionen an der Strecke sollte kurzfristig der eine oder andere Weg gewählt werden.

Für den heutigen Tag bereiteten sich Atomkraftgegner in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und im Saarland auf Aktionen vor. Nach Ansicht der Umweltschutzorganisation Greenpeace dürften die Castoren wegen zu hoher Strahlenwerte nicht ins Zwischenlager Gorleben rollen. In Berlin wurde dieser Traum jedes Atomkraftgegners am Mittwoch »vorempfunden«: Ein Castortransport wurde zum Abbiegen gezwungen und schließlich gestoppt. »Strahlenschutzexperten« rollten sodann elf Atomfässer dem Umweltministerium vor die Tür: eine Aufforderung, Gorleben aus dem Pool für mögliche Endlager zu nehmen. In den kommenden Tagen soll der Protest auch hierzulande nicht symbolisch bleiben. Seite 3

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