Ausblick auf den Atomausstieg

Französischer Konzern Areva setzt auf massiven Kosten- und Stellenabbau

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Atomkraft ist nicht mehr der Goldesel der Energiekonzerne. Das war schon vor der Katastrophe im japanischen Fukushima so, und seither gilt dies erst recht. Das bekommt längst auch der französische Atomkonzern Areva zu spüren.

Angesichts der für das laufende Jahr erwarteten Verluste in Höhe von 1,4 bis 1,6 Milliarden Euro plant der Atomkonzern Areva ein massives Programm zum Kostenabbau. Gemäß dem Restrukturierungsplan »Action 2016«, den der Vorstandsvorsitzende Luc Oursel am Montagabend dem Aufsichtsrat vorlegte, sollen bis einschließlich 2015 Jahr für Jahr rund eine Milliarde Euro eingespart werden.

Der Konzern, der zu 87 Prozent dem Staat gehört, nannte zunächst offiziell keine Zahlen über geplanten Stellenabbau. Frankreichs Wirtschaftsminister François Baroin beeilte sich zu erklären, dass es bei Areva »keinen Abbau von Arbeitsplätzen geben wird, weil der Staat als Hauptaktionär nicht zulassen wird, dass ökonomische Anpassungsmaßnahmen auf Kosten der Beschäftigung gehen«. Doch der europäische Betriebsrat bezeichnete dies auf Grundlage firmeninterner Informationen umgehend als Lüge. Seinen Angaben zufolge hat Areva bereits einen Einstellungsstopp im Verwaltungsbereich verhängt, was bedeutet, dass die in Frankreich im nächsten Jahr voraussichtlich in Rente gehenden 1200 Mitarbeiter nicht ersetzt werden und ihre Arbeitsplätze damit wegfallen. In Deutschland sollen 1200 bis 1300 Arbeitsplätze abgebaut werden, wobei die Direktion hier weniger Skrupel hat. Am Dienstag bestätigte Konzernchef Oursel: »Die Entscheidung zum Atomausstieg der Regierung in Deutschland zwingt uns zum Abbau von 1200 bis 1500 Stellen von rund 6000.« Die IG Metall warnte den Konzern davor, mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2013 den Jobabbau in Frankreich zulasten der deutschen Standorte begrenzen zu wollen.

In Frankreich beschäftigt Areva 28 000 Menschen, weltweit sind es 48 000. Der Sitz der Deutschlandfiliale ist Erlangen, weitere Standorte befinden sich in Karlstein, Offenbach, Duisburg und Lingen. Allerdings sind der geplante Atomausstieg in Deutschland und anderen Ländern sowie die Diskussionen um die Zukunft der Kernkraft nicht maßgeblich für die aktuelle finanzielle Schieflage des Konzerns verantwortlich. Ihm wird Missmanagement unter der erst im Juni gefeuerten Konzernchefin Anne Lauvergeon vorgeworfen, die 1999 von der Linksregierung eingesetzt worden war und sich über lange Jahre auch der Gunst der konservativen Präsidenten Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy erfreute. Verluste führten im Juni aber dazu, dass sie nicht im Amt bestätigt, sondern durch ihren bisherigen Stellvertreter Oursel ersetzt wurde.

Besonders wird ihr der Ausstieg von Siemens aus dem Gemeinschaftsunternehmen Arena NP, das gemeinsam den neuen Europäischen Druckwasserreaktor (EPR) in Finnland und Frankreich baut, sowie die 2007 erfolgte Übernahme der südafrikanischen Schürfgesellschaft Ura-Min zu einem viel zu hohen Preis angekreidet. Die Beteiligung hat inzwischen 80 Prozent bzw. 1,4 Milliarden Euro an Wert verloren. Wegen der Neubewertung des gesamten Minengeschäfts, die auch durch die Fukushima-Katastrophe und die nachfolgende Auftragsflaute erforderlich geworden ist, muss Areva jetzt Rückstellungen in Höhe von 2,36 Milliarden Euro bilden. Daher sollen für 1,2 Milliarden Euro Aktiva verkauft sowie geplante Investitionen beispielsweise in Namibia, Südafrika und der Zentralafrikanischen Republik bis 2016 um ein Drittel auf 7,7 Milliarden Euro gekürzt werden. Hinzu kommt eine neunte Verlustrückstellung in Höhe von 150 Millionen Euro für dem im Bau befindlichen EPR im finnischen Olkiluoto, dessen Fertigstellung sich enorm verzögert und verteuert hat. Allein hierfür muss Areva inzwischen 2,4 Milliarden Euro an Rückstellungen bilden.

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