Böse Akten, gute Bilder

DDR-Kultur, Beeskower Baupläne und nun?

  • Harald Kretzschmar
  • Lesedauer: 4 Min.

Man wird ja noch fragen dürfen.

Wofür ist unser aller gutes Geld eigentlich da? Um immer neue Unsummen in die pedantische Bewahrung von Aktenbeständen zu stecken? Damit längst bekannte Verfehlungen immer wieder neu aufgeklärt werden? Brauchen wir Vormunde für Nachweise, was einmal Verderbliches im Verborgenen geschah?

Was erinnert dagegen an all die Bildwerke von hohem Wert, die in aller Öffentlichkeit Kunst und Kultur verbreiteten? Wer erinnert an die Unzahl nun aus dem öffentlichen Raum verschwundener Kunstwerke? War es rechtens oder von Kommerz geblendet und von Kunsturteil unbeleckt, Kunstleistungen zu beseitigen oder ins Abseits zu stellen?

Haben die Museen des Landes die historische Gerechtigkeit im Umgang mit Kunst jener Zeit vergessen? Muss man diese denn heute verstecken? Ist das möglicherweise positive Urteil der Nachgekommenen so schwer zu akzeptieren? Sollen die Schulbücher nur öde Stasiknäste statt originelle Bildfindungen abbilden? Was ist das Motiv, die Kultur im vergangenen Land als billiges Alltagsprodukt abzuqualifizieren? Anschwärzen statt Beleuchten einer Zeit? Sollte man die Akteure nicht folgerichtig als Dunkelmänner bezeichnen?

Alles ist eine Frage der Zeit.

Die Verantwortlichen in den Museen werden eines Tages aufwachen! Buchverleger und Kalendermacher, Galeristen und - man glaubt es kaum - sogar Kunsthistoriker werden die Kunst der Jahre 1945 bis 1990 wieder ideologiefrei wahrnehmen und für ein breites Publikum ins rechte Licht rücken! Sie werden den auf die Quadratkilometer von der Elbe bis zum Ural begrenzten geografischen Raum mit bedeutenden Kunstzentren neu entdecken!

Wir werden wieder von respektabler Kunst aus Moskau und Warschau, Prag und Budapest, ja, und sogar aus Leipzig und Dresden in allen großen Museen unserer schönen Bundesrepublik erfahren!

Die amerikanisch inspirierte Avantgarde wird es gnädig geschehen lassen! Die Verstecke der Depots werden geöffnet! Aus einer Westberlinischen wird eine Gesamtberlinische Galerie! Und auch das Stadtmuseum vereinigt neuerdings Ost- und Westberlinisches! In den fast allen Museen beigeordneten Buchhandlungen König werden die Standardwerke über deutsche wiedervereinigte Kunst zu Bestsellern gemacht!

Wo ein Wille ist, gibt es einen Weg.

Jeder von uns ist, ganz demokratisch gesehen, mitverantwortlich für das, was geschieht. Helle Köpfe stechen Dunkelmänner aus. Es gibt im märkischen Beeskow das Kunstarchiv, welches einen großen Teil der Auftragskunst eines Staates beherbergt, der als »ehemalig« für endgültig vergangen erklärt ist. Da gibt es erhebliche Aufbewahrungsmängel. Immerhin müssen 23 000 Gemälde, Grafiken und Plastiken restauratorisch gesichert werden. Künstlerisch wirken sie in der Regel durchaus attraktiv. Die Schöpfer waren mit dem offiziellen Auftrag offenbar so umgegangen, wie häufig in der Kunstgeschichte: frei. Nun ist, parlamentarisch legimitiert, der SPD-Bürgermeister Frank Steffen mit der CDU-Kulturdezernentin des Kreises Oder-Spree Ilona Weser so kühn gewesen, einen Wettbewerb für einen ansehnlichen Depotanbau von 3000 Quadratmeter an das Burgensemble auszurufen. Den gewann der in Berlin ansässige Schweizer Stararchitekt Max Dudler. Er hat immerhin mit dem Neubauentwurf des 2009 fertiggestellten Brüder-Grimm-Zentrums der Humboldt-Universität in Berlin den besten verfügbaren Ruf.

Nun müsste sein im besten Sinn passender Bau nur gebaut werden. Die EU hat die beantragten 10 Millionen Euro aber nicht bewilligt. Und zwar aus dem einfachen Grund, weil der angepeilte »Interreg-IV-Fonds« für Grenzregionen reserviert ist. Das Beeskower Kunstarchiv sollte schließlich kein Grenzfall sein. Wer möchte da widersprechen - es ist eine zentrale Aufgabe, aus der sich der deutsche Staat nicht davonstehlen sollte.

Nun lasst uns endlich Taten sehen.

Nach vielen anerkennenden Worten der Landesregierung Brandenburg in Gestalt von Minister Helmut Markov, des Berliner Senats mit Staatssekretär André Schmitz und des Bundestages mit dem Abgeordneten Thomas Nord steht nun die erlösende Tat auf der Tagesordnung. Die Worte wurden vor Ort bei Vorlage von Dudlers Baukonzept am 19. Oktober 2010 ausgesprochen. Da war von Bauabschluss Ende 2013 die Rede.

Nun sollte die Bundesregierung am Zug sein. Wenn die Position des Kulturstaatsministers Bernd Neumann einen Sinn haben soll, müsste das Beeskower Finanzierungskonzept längst auf seinem Schreibtisch liegen. Ließ er sich doch gerade dafür feiern, dass er für 11 Millionen Euro die Stasizentrale Berlin Normannenstraße sanieren ließ. Es ist unwahrscheinlich, dass dort das Gedenken an Kunst und Kultur gepflegt wird.

Letzte Frage: Sollte er diesem nicht eigentlich verpflichtet sein?

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