Brücken schlagen

Adopt a revolution: Eine deutsche Initiative unterstützt die Organisatoren der Proteste in Syrien

  • Lesedauer: 4 Min.
Andre Find, 31 Jahre alt, ist Politikwissenschaftler und Physiker aus Leipzig. Der Mitinitiator von »adopt a revolution« versteht sich einer interventionistischen, aktivistischen Linken zugehörig. Mit ihm sprach Niels Seibert.

nd: Sie rufen dazu auf, Pate der syrischen Revolution zu werden. Welche Idee steckt hinter Ihrer Initiative?
Find: Wir wollen Menschen in Deutschland gewinnen, bewusst ein lokales Komitee in Syrien zu unterstützen. Zuerst geht es um finanzielle Hilfe, um die kontinuierliche politische Arbeit der Komitees zu ermöglichen. In einem zweiten Schritt wollen wir Kontakte zwischen Aktivisten in Syrien und Unterstützern in Deutschland herstellen. Wer eine Revolutionspatenschaft übernimmt, soll auch in Austausch mit dem geförderten Komitee treten können. Das kann für beide Seiten fruchtbar sein.

Welche Bedeutung haben die Komitees, die von Ihnen unterstützt werden?
Die Komitees tragen den Aufstand in Syrien. Sie sind diejenigen, die täglich Demonstrationen organisieren, auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam machen, sich um Verletzte und Hinterbliebene kümmern. Dazu muss man wissen: In Syrien gibt es das Demonstrationsrecht nur auf dem Papier. Wenn die Menschen zum Protestieren auf die Straße gehen, werden sie oft von Polizisten und Schlägertrupps angegriffen, teils von Militär und Heckenschützen beschossen. In erster Linie versuchen die Komitees, ihr Recht auf Demonstration und Meinungsfreiheit auszuüben. Mit Erfolg: Am vergangenen Wochenende hat es an fast 600 Orten Demonstrationen gegeben und es werden immer mehr. Diese Situation scheint für das syrische Regime so bedrohlich zu werden, dass es gewaltsam gegen die Proteste vorgeht.

Was hat Sie zu dieser Initiative motiviert?
Unser Ziel ist eine emanzipatorische Gesellschaft, in der Menschenrechte, Gleichberechtigung und Demokratie verwirklicht sind. Wir fühlen uns zur Solidarität verpflichtet, wenn eine Regierung die Menschen, die für diese Ziele einstehen, auf offener Straße niederschießen lässt, und wollen diejenigen unterstützen, die eine emanzipatorische Politik vorantreiben. Außerdem ist es für uns Teil der internationalen Solidaritätsarbeit, die Schwachen und Unterdrückten zu stärken.

Warum sind Sie ausgerechnet auf Syrien gekommen?
Wir haben persönliche Verbindungen nach Syrien. Einer der Initiatoren war vor Ort, als der Aufstand begann. Er ist schnell mit Aktivisten der Oppositionsbewegung in Kontakt gekommen und hat deren Arbeit unterstützt. Wir haben überlegt, was wir von Westeuropa aus tun können, um den Protest zu unterstützen. Für uns ist inzwischen eine Nähe zu dem Land entstanden. Und diese Nähe wollen wir weitergeben, um eine Brücke zu schlagen zwischen der Zivilgesellschaft in Syrien und der Zivilgesellschaft in Deutschland.

Die Vereinten Nationen sprechen von über 6000 Toten infolge der Proteste in Syrien. Ein Teil der syrischen Opposition fordert deshalb das Ausland zum Handeln auf oder sogar eine militärische Intervention. Welche Rolle nehmen Sie in dieser Auseinandersetzung ein?
Unsere Position ist eine andere. Wir sagen: Wir müssen diejenigen stärken, die täglich den friedlichen Protest praktizieren. Neben den Komitees gibt es die Freie Syrische Armee, die aus desertierten Soldaten entstanden ist und die mit den Waffen, die sie aus der Armee mitgebracht haben, die Demonstrationen verteidigen. Wir arbeiten jedoch mit dem friedlichen, gewaltfreien Teil der Opposition zusammen, um ihn zu stärken. Wenn die Mehrheit der Menschen unbewaffnet auf die Straße geht, kann ein Bürgerkrieg verhindert und damit eine militärische Intervention unwahrscheinlich, wenn nicht sogar unmöglich werden.

Sie haben sehr stark das Friedliche betont. Was heißt denn friedlich und gewaltfrei in Syrien?
Gewaltfreiheit ist natürlich ein strapazierter Begriff. Im strengen Sinne ist alles, was in Syrien passiert, nicht gewaltfrei. Uns ist wichtig, dass die Menschen versuchen, eine Wende und demokratische Öffnung zu erreichen, ohne zu den Waffen zu greifen und nicht dem Geheimdienstler oder Polizisten nach dem Leben zu trachten.

Wie halten Sie den Kontakt nach Syrien?
Wir kommunizieren vor allem über verschlüsselte Verbindungen im Internet. Skype und Facebook sind hierfür große Errungenschaften. Es ist schon etwas dran, wenn von Internetrevolution gesprochen wird, weil große Teile der Kommunikation, auch der Aktivisten untereinander, über das Internet und die Social Media organisiert wird.

Was werden Ihre nächsten Schritte sein?
Wir haben für die ersten 20 Komitees Geld gesammelt von etwa 600 Menschen, die gespendet haben. Wir haben dieses Geld jetzt nach Syrien geschickt und wollen versuchen, diese Finanzierung für drei Monate sicherzustellen. Als Nächstes steht die Intensivierung der Kontakte an, zum Beispiel arbeiten wir gerade an der Umsetzung der Idee, Städtepartnerschaften aufzubauen.

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