Neue lange Stromleitungen

Betreiber legten ihren Netzentwicklungsplan für die Energiewende vor

Neue Leitungen von Nord- nach Süddeutschland sollen den Ländern ihren Bedarf decken helfen, die bei der Wende hin zu den Erneuerbaren bis jetzt geschlafen haben.

Der Ausbau der Stromübertragungsnetze in Deutschland nimmt allmählich Konturen an. Die vier Betreiber - Tennet, Amprion, 50Hertz und TransnetBW - legten am Mittwoch ihren Netztentwicklungsplan vor. Dieser sieht neue Höchstspannungsleitungen in der Gesamtlänge von 3800 Kilometer vor. Neben kürzeren Abschnitten finden sich auch vier große, über mehrere hundert Kilometer führende Trassen. Weitere 4400 Kilometer bestehende Leitungen sollen zudem fit gemacht werden für die schwankende Einspeisung erneuerbarer Energien. Gesamter Kostenpunkt des Ausbaus: rund 20 Milliarden Euro. »Das Tempo des Netzausbaus bestimmt das Tempo der Energiewende«, erklärte der der technische Geschäftsführer von Amprion, Klaus Kleinekorte.

Der Netzausbau ist wegen des Atomausstiegs unumgänglich. Neue Leitungen sollen Strom aus Windkraftanlagen von der Küste im Norden in die Industriezentren in West- und Süddeutschland transportieren. Dabei soll auf 2100 Kilometern Länge eine neue Technik zum Einsatz kommen: Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen. Dabei handelt es sich laut Kleinekorte um »Stromautobahnen ohne Ausfahrt«, die besonders gut große Mengen transportieren können. Die bisherigen Standorte der Atomkraftwerke fungieren in dem Konzept der Betreiber als Endpunkte, von denen aus der Strom über die bestehenden Verteilernetze weiter transportiert werden soll.

Bei dem vorgelegten Plan handelt es sich um einen ersten Entwurf, der nun öffentlich diskutiert wird. Bis zum 10. Juli können Bürger, Experten und Verbandsvertreter ihre Stellungnahmen im Internet (unter www.netzentwicklungsplan.de) und auf Veranstaltungen abgeben; schon jetzt regt sich punktuell Widerstand. Über die exakte Streckenführung entscheiden dann die Behörden in den jeweiligen Ländern. Ferner soll die Bundesnetzagentur bis zum Herbst eine Umweltverträglichkeitsprüfung erstellen. Dies alles fließt dann in den Bundesbedarfsplan ein, der laut Bundesregierung bis Jahresende als Gesetz verabschiedet werden soll.

Der Naturschutzbund (NABU) warnte indes vor einem »übereilten Verfahren«. Die vorgesehenen 3800 Kilometer neue Leitungen seien nicht alternativlos, die Politik müsse auch andere Strategien zum Ausbau der Energiewende verfolgen. »Neben der Senkung des Stromverbrauchs könnte zum Beispiel ein Teil der geplanten Windenergie-Kapazitäten in der Nord- und Ostsee durch den stärkeren Zubau erneuerbarer Energien im Südwesten ersetzt werden«, erklärte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Die Netzbetreiber rechnen trotz der Milliardeninvestitionen mit nur moderat steigenden Strompreisen. Dagegen warnte der Verbraucherzentrale Bundesverband, die Preise werden auch wegen des Netzausbaus »wie in den letzten Jahren jährlich um zwei bis drei Prozent steigen«. Die Deutsche Umwelthilfe verwies indes darauf, dass sich die anfänglichen Mehrkosten der Energiewende wegen der zu erwarten Preisentwicklung bei fossilen Energieträgern und der vermiedenen Klimaschäden »in 10 bis 30 Jahren in viel höhere und dauerhafte Kostenvorteile verwandeln« werden.


Zur Grafik: Der neue Plan der vier Übertragungsnetzbetreiber soll das deutsche Stromnetz weiterentwickeln. Vier neue lange Trassen sind geplant: von
Niedersachsen nach Baden-Württemberg, von Niedersachsen nach Hessen, von
Schleswig-Holstein nach Baden-Württemberg und von Sachsen-Anhalt nach Bayern. Derzeit beträgt die Gesamtlänge des Netzes 1,75 Millionen
Kilometer, der größte Teil sind Niederspannungsleitungen. Insgesamt bringen 869 Verteilnetzbetreiber, darunter viele Stadtwerke, den
Strom zur Steckdose.

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