Der Aussteiger

Rüdiger Linsler, Generalsekretär der FDP im Saarland, wechselt zur SPD

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 2 Min.

Wenn man Angehöriger einer traditionsreichen, patriarchalen, streng hierarchischen Organisation ist, die seit Jahrzehnten an ihren eigenen, unumstößlichen Gesetzen und Ehrenkodexen festhält, die ihre gesellschaftliche Macht durch politische Einflussnahme fortwährend zu vergrößern versucht und in der die eiserne Regel gilt, dass man die Dinge grundsätzlich nicht in Frage stellt, wenn man nicht abserviert werden will - wenn man also ein lang gedienter Capo der Mafia oder ein Politiker der FDP ist -, dann hat man schweigen gelernt über all die kleinen und großen Verbrechen, auf die der Blick täglich fällt. Hier ein paar kleine finanzielle Korrekturen bei Familie Hungerleider, dort ein paar Geldbündel extra für den sportiven Unternehmer von nebenan, nichts Besonderes.

Daran, dass man es in diesen Kreisen täglich mit Niedertracht, Gemeinheit und schwere Sehnerventzündungen hervorrufenden gelben Seidenkrawatten zu tun hat, hat man sich über die Jahre gewöhnt. Früher oder später. Sollte man meinen. Deshalb ist der 40-jährige Rüdiger Linsler, gelernter Jurist, bis gestern Generalsekretär der saarländischen FDP, ein erstaunliches Phänomen: Er hat mit zitternden Händen und schweißnasser Stirn todesmutig getan, was vor ihm kaum einer wagte. Er hat gegen die Omertà verstoßen. Er hat eine bislang gut verborgene hässliche Wahrheit ausgesprochen, die ihren Weg an die Öffentlichkeit, ginge es nach seinen Oberbossen, niemals finden sollte: Die FDP, so deutet Linsler an, sei in Wirklichkeit eine unsoziale Partei. Das »sozialpolitische Profil« fehle ihm dort, beklagt er.

Nach fast 17 Jahren Parteimitgliedschaft und zweijähriger zuverlässiger Tätigkeit als Capo (»Generalsekretär«) ist ihm aufgefallen, dass es vielen Liberalen an »Verantwortungsgefühl gegenüber der gesamten Gesellschaft« mangele. Wenn man ihn einen Tag lang durch ein Schlachthaus führte, würde er vielleicht auch am sehr späten Abend feststellen, dass man ihn nicht zu dem versprochenen Ponyhof gebracht hat. Er habe die FDP verlassen und werde zur SPD wechseln, sagt er. Von der Yakuza zu den Triaden also.

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