Ein Frage der Psyche

Nach dem 1:1 gegen Kroatien hat Italien die schlechtesten Aussichten auf das Viertelfinale

  • Matthias Koch, Poznan
  • Lesedauer: 3 Min.

Kurz vor dem Abpfiff humpelte Mario Mandzukic vom Platz. Kroatiens angeschlagener Torschütze musste die letzten Minuten des 1:1 (0:1) gegen Italien wegen eines Schlages auf den Fuß von der Bank verfolgen. Danach reichten seine Kräfte jedoch allemal, um sich bei den mehrheitlich kroatischen Fans unter den 37 096 Zuschauern im Stadion von Poznan freudig erregt zu bedanken.

Der 26-jährige Angreifer vom VfL Wolfsburg, der seinen neuen Arbeitgeber erst nach der EM verraten will, tauchte im Unterrang der Haupttribüne kurz in die Menge kroatischer Anhänger ein. Nach seinem dritten Turniertor hatte Mandzukic viele Schulterklopfer. Einer von ihnen konnte sich über das Trikot mit der Nummer 17 freuen, dass Mandzukic in den Fanblock reichte. »Ich habe wieder getroffen. Aber es ist nicht wichtig, wer trifft, sondern, dass das wir ein gutes Resultat einfahren. Das ist uns gelungen«, sagte er bescheiden. »Jetzt treffen wir auf Spanien, eine weitere Spitzenmannschaft. Aber wie wir auch gegen Italien gezeigt haben, können wir gegen die Besten bestehen.«

Am Montag in Gdansk müsste Kroatien in der Schlusspartie gegen den Titelverteidiger und Weltmeister von 2010 aber wohl über 90 Minuten auf hohem Niveau spielen. Gegen Italien war das erst im letzten Drittel der Begegnung der Fall. »Wir standen oft falsch, weshalb wir unsere Taktik verändert haben und im zweiten Durchgang besser aufgetreten sind«, sagte Verteidiger Vedran Corluka. »Es war ein gerechtes Remis, aber wir haben die Chance verpasst, den Siegtreffer zu erzielen. Dennoch sind wir überzeugt, dass wir das Viertelfinale erreichen werden.« Im besten Falle kann sich Kroatien gegen Spanien sogar eine Niederlage leisten, wenn die immer noch sieglosen Italiener in Poznan auch gegen die bereits ausgeschiedenen Iren nicht gewinnen können. Die Italiener haben die schlechteste Ausgangsposition, sie sind abhängig vom Ergebnis der anderen Partie. Endet diese beispielsweise 2:2, reicht ihnen nicht mal ein Sieg gegen Irland zum Weiterkommen.

Zunächst einmal müssen die Akteure von Nationaltrainer Cesare Prandelli, die nach dem Abpfiff fluchtartig den Rasen verlassen hatten, die Enttäuschung wegstecken. Das Remis gegen Kroatien empfanden die Italiener im Vergleich zum Unentschieden gegen Spanien zum Auftakt als einen Rückschlag. »Wir hätten mehr Tore machen müssen, als wir die Chancen in der ersten Halbzeit herausgespielt hatten. Das ist schade, denn hinten standen wir wirklich gut«, ärgerte sich Torhüter Gianluigi Buffon.

Fraglich ist, ob die Psyche bei den Italienern mitspielt. Der vor der EM bekanntgewordene Wettskandal oder die abfälligen Äußerungen zu möglichen Homosexuellen im Nationalteam von Antonio Cassano sorgen weiter für Nebenschauplätze, die sportlich wenig förderlich sind. »Ich glaube nicht, dass es uns an Charakter fehlt. Aber unser Spiel hat in den letzten 30 Minuten in beiden Partien nachgelassen und wir müssen nun überlegen, wie wir unsere Kraft im letzten Gruppenspiel einsetzen«, so Prandelli. Gegen Irland müssen auf jeden Fall mehrere solcher Tore wie der Freistoßtreffer von Andrea Pirlo gegen Kroatien her.

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