Eurokrise erreicht deutsche Wirtschaft

DIW halbiert Wachstumsprognose für 2012 / Kritik an EU-Beschlüssen zu Bankenaufsicht

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Die deutsche Wirtschaft wird laut einer Studie 2012 nicht so stark wachsen wie zunächst erwartet - Probleme macht vor allem die Eurokrise.

Nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wird die Eurokrise im laufenden Jahr auch deutliche Spuren in der deutschen Volkswirtschaft hinterlassen. Die Nachfrage nach deutschen Produkten werde im Euroraum schwach bleiben, da sich die meisten Staaten der Währungsunion in einer »ausgeprägten Rezession« befänden, sagte Ferdinand Fichtner, Leiter Konjunkturpolitik beim DIW, am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung der Sommergrundlinien 2012 des Instituts. Zwar werde die Binnennachfrage nicht zuletzt aufgrund der deutlichen Lohnzuwächse in vielen Branchen auch in diesem Jahr steigen, dies könne aber die schwache Exportentwicklung nicht kompensieren. Das DIW halbiert daher seine Prognose für 2012 und geht nunmehr von einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes um ein Prozent aus. Dies werde auch die bislang trotz Eurokrise sehr positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt beeinträchtigen, warnte Fichtner. Da aber die Konjunktur in großen Schwellenländern wie China und Indien in der zweiten Jahreshälfte kräftig an Schwung gewinnen werde, seien mittelfristig auch wieder deutliche Exportzuwächse zu erwarten.

Mit gemischten Gefühlen betrachtet man beim DIW die Ergebnisse des jüngsten EU-Gipfels. Zwar sei es richtig, eine europäische Bankenaufsicht zu installieren, bislang sei aber unklar, welche Kontrollbefugnisse und Sanktionsmöglichkeit diese neue Behörde erhalten werde, so Fichtner. Auch begrüße man die neu geschaffene Möglichkeit zu Direkthilfen für marode Banken durch die verschiedenen Europäischen Rettungsfonds, da einzelne Staaten - wie z.B. Spanien - mit dieser Aufgabe ebenso überfordert wären wie die Europäische Zentralbank. Doch statt ein System der kollektiven Haftung der Finanzbranche zu implementieren, würden die Risiken komplett den europäischen Steuerzahlern aufgebürdet - für Fichtner eindeutig ein »Erfolg der Bankenlobby«.

Skeptisch beurteilen die Wirtschaftsforscher auch den beschlossenen Wachstumspakt. Es bestünde die Gefahr, dass »falsche konjunkturstimulierende Maßnahmen« auf den Weg gebracht würden, so Fichtner. Strukturreformen, zu denen auch die Abwicklung unproduktiver Industrien und die Verschlankung ineffizienter Verwaltungsapparate gehörten, müssten konsequent fortgesetzt werden, allerdings ohne »allzu exzessive Sparbemühungen«, die jegliche wirtschaftliche Erholung in den kriselnden Eurostaaten im Keim ersticken könnte. Aufgrund der zu erwartenden politischen Konflikte bei der Umsetzung der Gipfelbeschlüsse rechnet das DIW jedenfalls nicht mit einer nachhaltigen Beruhigung der Finanzmärkte.

Als derzeit stabil und im Großen und Ganzen erfreulich bewertete die DIW-Finanzexpertin Kristina van Deuverden die Lage der öffentlichen Haushalte in Deutschland. Allerdings könnten derzeit konjunkturell bedingt sprudelnde Steuereinnahmen und volle Kassen bei den Sozialversicherungen nicht über die gewaltigen Risiken für die Staatsfinanzen hinweg täuschen. Diese schlummerten sowohl im deutschen Bankenrettungsfonds Soffin als auch in den Garantien für den - noch nicht in Kraft getretenen - Europäischen Stabilitätsmechanismus. Daher hätte sie sich für den Bundeshaushalt ein »ambitionierteres Vorgehen« bei der Reduzierung der Neuverschuldung gewünscht, so van Deuverden.

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