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Feldzug zu Luft, zu Land und durch Propaganda

Bush sorgte wieder für Verwirrung: Was für Bodentruppen meinte er?

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 4 Min.
Washington kämpft im Mittleren Osten an zwei Kriegsfronten - mit gemischten Resultaten. Die »Phasen« des Afghanistan-Feldzugs ziehen sich länger hin als angekündigt, und an der Propaganda-front ziehen die USA den Kürzeren.
Das Vorrücken von Bodentruppen in Afghanistan steht bevor, nimmt man Hinweise aus der Region zur Grundlage für eine Einschätzung. Dafür sprechen nicht nur der Einsatz der für Bodenunterstützung konzipierten Flugzeuge vom Typ AC-130 (siehe den nebenstehenden Beitrag) und Berichte über die Verlegung von Sondereinsatzkommandos, sondern auch die Einrichtung von Landezonen in der Nähe afghanischer Städte. Dagegen äußerte sich Präsident George W. Bush am Mittwoch widersprüchlich. Erstmals seit Beginn des seit 13 Tagen andauernden Krieges sprach er davon, dass Bodentruppen zum Einsatz kommen würden. »Die Luftwaffe und die Luftabwehrstellungen des Feindes werden zerstört«, sagte Bush, »wir bereiten den Weg für befreundete Truppen am Boden, um das Netz langsam aber sicher enger zu ziehen und sie (die Terroristen) zur Rechenschaft zu ziehen.« Die Terroristenlager seien zerstört, man mache Fortschritte. Bushs Wortwahl »befreundete Truppen« (friendly troups) hatte zunächst für Verwirrung gesorgt, da der Begriff im Militärjargon »eigene Truppen«, umgangssprachlich aber alliierte Soldaten bedeutet. Ein Regierungssprecher stellte daraufhin klar, dass keineswegs US-amerikanische oder britische, sondern bewaffnete Einheiten der Nordallianz gemeint seien. Was - wenn es sich nicht um bewusste Irreführung handelt - bedeuten würde, dass die Bodentruppen der USA, Großbritanniens, Kanadas und Australiens, die sich Berichten zufolge in den Grenzländern zu Afghanistan und teilweise im Land selbst befinden, doch nicht so schnell zum Einsatz kommen werden. Weiterhin ist bei den US-amerikanischen Strategen jenseits der massiven Bombardements keine klar definierte Kriegsstrategie zu erkennen. Das Schlüsselproblem besteht offenbar in unterschiedlichen Einschätzungen der Nordallianz. Pentagon-Chef Donald Rumsfeld sagte diese Woche, die Zusammenarbeit zwischen den afghanischen Anti-Taleban-Gruppierungen sei noch nicht genug ausgereift. Er hoffe, dass sich die Koordination verbessere, damit die US-Armee präzisere Ziele für Bombardierungen und andere Angriffe erhalte. Das USA-Außenministerium ist dagegen um den Erhalt des internationalen »Anti-Terror-Bündnisses« besorgt und versucht, den Schlüssel-Alliierten Pakistan - einen Gegner der Nordallianz - an Bord zu behalten. Widersprüchliche Einschätzungen existieren deshalb auch beim US-amerikanischen Militär einerseits und bei den Kriegsfürsten der Nordallianz andererseits. Einen Tag nachdem General Gregory Newbold geäußert hatte, die Taleban seien militärisch »entleibt« worden, widersprachen ihm mehrere Kommandeure der Nordallianz. Sowohl bei Mazar-e-Sharif im Norden als auch an der strategisch wichtigen Stadt Chakhcharan in der westlichen Ghor-Provinz hätten die Taleban vorrückende Kämpfer der Nordallianz zurückdrängen können, sagte deren Sprecher in Washington, Harmon Amin. Er kritisierte außerdem, dass die Tausende von Taleban-Truppen, die sich nördlich der Hauptstadt Kabul aufhalten, von den USA weiterhin unbehelligt ihre Verteidigungsstellungen ausbauen könnten. Das »Wall Street Journal« spekulierte am Donnerstag, dass die USA bald Angriffshubschrauber in Afghanistan einsetzen würden. Sie befinden sich laut einem Pentagon-Sprecher auf dem Kriegsschiff »Kitty Hawk« im Arabischen Meer und werden vor ihrem Afghanistan-Einsatz in Pakistan zum Tanken zwischenlanden. Die Zeitung berichtete weiter, USA-Flugzeuge mit Radioausrüstung würden folgende Botschaft nach Afghanistan ausstrahlen: »Unsere Hubschrauber werden Feuer auf eure Lager herabregnen lassen, bevor ihr sie auf dem Radar entdeckt.« Laut Pentagon werden ähnliche Warnungen in zwei afghanischen Sprachen ausgestrahlt. Unterdessen legte die US-amerikanische Propagandamaschine im Nahen Osten und in Südasien sowie in der gesamten muslimischen Welt den ersten Gang ein - viel zu spät, um im internationalen »Krieg gegen den Terrorismus« noch Punkte zu machen, wie viele Beobachter sagen. Erst eineinhalb Wochen nach Kriegsbeginn beschloss das Weiße Haus, auf die seit Jahren brodelnde antiamerikanische Stimmung in vielen Ländern der Region mit Gegenpropaganda, »Info War« genannt, zu reagieren. Bush hatte vergangene Woche dazu auf einer Pressekonferenz in der ihm eigentümlichen Stumpfheit gesagt: »Ich bin verblüfft darüber, dass es so viele Missverständnisse über unser Land gibt und dass Menschen uns hassen könnten.« Der Vorsitzende des Auslandsausschusses im Repräsentantenhaus, Henry Hyde, sagte allen Ernstes: »Wie kann es sein, dass das Land, das Hollywood und die Madison Avenue erfunden hat, so ein Problem hat, von sich in Übersee ein positives Bild zu zeichnen?« So rangen sich Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice und Pentagon-Chef Donald Rumsfeld vergangene Woche dazu durch, dem in Katar beheimateten und von bis zu 300 Millionen Menschen gesehenen Fernsehsender Al-Dschasira Interviews zu geben. Das Weiße Haus hatte davor vergeblich versucht, den Fernsehsender durch Druck auf das kleine Katar mundtot zu machen. Al-Dschasira gilt wegen der Präsentation aller politischen Sichtweisen als Flaggschiff der Demokratie in der arabisch-muslimischen Welt. Nun wollen die USA den ehemals rabiat antikommunistischen Radiosender »Voice of America« durch bessere Finanzierung wieder aufmöbeln. Statt des klassischen Arabisch, das in der Region zwar verstanden, aber nicht gesprochen wird, soll in lebendigem Arabisch ausgestrahlt werden, das auch junge Leute anspricht. Dennoch bleibt die Frage, ob dem Bild der USA, wie es fernab von »Gottes eigenem Land« herrscht, durch Gegenpropaganda begegnet werden kann. Denn von Marokko bis Malaysia entwickeln die Menschen ihre Gefühle und Vorstellungen nicht auf Grund von Worten, die man ihnen einzuflüstern versucht.
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