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Blockadeanführer in Abwesenheit

In Dresden hat der Prozess gegen den sächsischen Linkspolitiker Hahn wegen der Antinazi-Proteste am 13. Februar 2010 begonnen

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
André Hahn soll im Februar 2010 »maßgeblich« an einer Blockade gegen Nazis mitgewirkt haben. Nun steht der sächsische Ex-Fraktionschef der LINKEN in Dresden vor Gericht.

Für kommendes Wochenende lädt das Bündnis »Dresden nazifrei« zu einer Konferenz ein, bei der Widerstand gegen einen möglichen Naziaufmarsch im Februar 2013 vorbereitet werden soll. Sachsens Justiz beschäftigen noch die Proteste vom Jahr 2010: Im Dresdner Amtsgericht läuft seit gestern der Prozess gegen André Hahn, damals Chef der sächsischen Linksfraktion. Er soll laut Anklage eine Blockade mit 12 000 Teilnehmern »maßgeblich« initiiert haben. Sie hatte einen genehmigten Aufzug verhindert, was strafbar sei.

Hahn ist der erste prominente Politiker, der sich deshalb vor Gericht verantworten soll; entsprechend groß war das mediale Interesse: Saal 1.17 im Amtsgericht war bis auf den letzten Platz besetzt. Hahn musste mit Krücke erscheinen: Der 49-jährige Stürmer beim FC Landtag erlitt kürzlich bei einem Foul eine mehrfache Bänderdehnung - im Spiel gegen Kicker des Beamtenbunds. Von dem Handicap unbeeindruckt, griff er ausführlich die Anklage an.

Hahn erinnerte daran, dass er am 13. Februar 2010 an einer »öffentlichen Fraktionssitzung« teilnahm. Mit der Aktion, zu der auch Abgeordnete aus Thüringen, Hessen und dem Bund kamen, habe man das »Recht auf Gegendemonstrationen in Sicht- und Hörweite« gegen einen Aufmarsch von Nazis wahrnehmen wollen, sagte Hahn und betonte, dass 2010 erstmals ein Bündnis dem jährlichen Naziaufmarsch in Dresden entgegentrat. Neonazis vereinnahmten seit Jahren das Gedenken an die Zerstörung Dresdens im Jahr 1945, und der Aufmarsch war zuvor die europaweit größte derartige Veranstaltung.

2010 indes war die Blockade erfolgreich. Hahn ist »stolz, in vorderster Reihe dabei gewesen zu sein«. Eine Führungsrolle freilich habe er nicht innegehabt - zumal er zu der Zeit, als die Nazis hätten marschieren sollen, in einer Menschenkette vor dem Rathaus stand: »Wie soll man eine Versammlung sprengen, ohne überhaupt vor Ort zu sein?« Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Sie billigt Hahn sowie dessen Kollegen aus Hessen und Thüringen, Janine Wissler, Willy van Ooyen und Bodo Ramelow, die auch angeklagt sind, herausgehobene Verantwortung zu - qua Amt. Hahn habe eine »besondere Rolle als primus inter pares«, also als Erster unter Gleichen, gehabt, sagte Oberstaatsanwalt Jürgen Schär. Er räumte also indirekt ein, dass Hahn faktisch wegen seines Postens der Prozess gemacht wird. Dieser Umstand hatte bereits die Aberkennung von Hahns Immunität im Landtag verzögert.

Ihr Verlust ist nicht die einzige ärgerliche Folge für Hahn. Ihn habe der Vorgang in der »politischen Handlungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt«. Hahns Vorwurf, es gehe darum, der LINKEN zu schaden, wies Schär aber scharf zurück: »Das ist kein politischer Prozess.« Er erinnerte an ein Angebot der Staatsanwaltschaft, den Fall gegen eine Geldbuße einzustellen. Hahn nennt das Angebot »vergiftet«, weil es seiner Ansicht nach ein Schuldeingeständnis beinhalte. Im Zusammenhang mit Blockaden 2011 stimmten zwei sächsische Linksabgeordnete, darunter der neue Fraktionschef Rico Gebhardt, der Einstellung gegen Geldbuße zu. Vier weitere Abgeordnete aus Land- und Bundestag lehnten ab; ihnen droht auch ein Verfahren.

Das von Hahn wird sich hinziehen: Der Verteidiger Klaus Bartl stellte gestern viele Beweisanträge, darunter den, zunächst beim Bundesverfassungsgericht klären zu lassen, ob es im Februar 2010 ein gültiges Versammlungsgesetz in Sachsen gab. Das zuvor verabschiedete Landesgesetz kippte das Verfassungsgericht später. Schär meint, dass deshalb das Bundesgesetz weiter in Kraft war. Diesem zufolge stehen auf Blockaden genehmigter Versammlungen bis zu drei Jahre Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft hat für Hahn 3000 Euro Geldstrafe beantragt.

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