Versuchte Entschärfung

Sachsen-Anhalts CDU will Korrekturen am Polizeigesetz - im Grundsatz gibt es kein Einlenken

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Das strittige Polizeigesetz in Sachsen-Anhalt soll in Details geändert werden. Das kündigt die CDU an. Im Grundsatz aber stehen weder die Abschaltungen von Handynetzen noch die HIV-Zwangstests zur Disposition.

Der überraschende Tod seines Erfinders hat dieser Tage auch das »Struck´sche Gesetz« noch einmal in Erinnerung gerufen: Kein Gesetz, so hatte der langjährige SPD-Fraktionschef Peter Struck gesagt, verlässt das Parlament so, wie es hineingekommen ist. Der sachsen-anhaltische Landtag liefert dafür nun einen Beleg in der Praxis: Das Polizeigesetz, über das seit einigen Wochen und inzwischen bundesweit gestritten wird, soll nachgebessert werden. Es sei »nichts Ungewöhnliches«, dass ein Parlament Änderungen an Regierungsentwürfen vornehme, sagte André Schröder, Fraktionschef der mit der SPD regierenden CDU.

Konkret kündigte er »Veränderungen im Detail und Konkretisierungen« bei zwei besonders erregt diskutierten Regelungen an. Dabei geht es zum einen um die Frage, ob der Polizei die Möglichkeit eingeräumt werden soll, Handynetze abschalten zu können; zudem darum, ob diese Zwangstests auf HIV und andere ansteckende Krankheiten anordnen kann.

Beide Vorhaben waren scharf kritisiert worden, zuletzt bei einer Expertenanhörung zum Gesetz im Magdeburger Landtag. Sebastian Striegel, innenpolitischer Sprecher der Grünen, erklärte, der Entwurf von CDU-Minister Holger Stahlknecht unterlaufe »eklatant Menschen- und Bürgerrechte«; die geplanten Zwangstests schürten »irrationale Ängste«. Die LINKE-Abgeordnete Henriette Quade sprach ebenfalls von »massiven, nicht gerechtfertigten Eingriffen in Grund- und Bürgerrechte« und meldete »verfassungsrechtliche Bedenken« an. Die beiden Oppositionsfraktionen hatten sich einen Gang zum Verfassungsgericht offen gehalten, sollte das Gesetz in der vorliegenden Form beschlossen werden.

Angesichts der Welle an Kritik und wohl auch der Aufmerksamkeit, die der ansonsten überregional kaum beachteten sachen-anhaltischen Landespolitik plötzlich in Medien wie der »Süddeutschen Zeitung« zuteil wurde, rudern die Verantwortlichen zurück. Die SPD, auf deren ausdrücklichen Wunsch die Einführung von HIV-Zwangstests in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde, erklärte, man halte diese im Lichte neuerer Erkenntnisse nicht mehr für nötig. Die CDU will daran zwar mit Hinweis auf den Vertrag festhalten. Es solle aber die Bedingung eingefügt werden, dass Tests nur veranlasst werden, wenn der Verdacht besteht, ein Betroffener könne einen Polizisten oder Sanitäter angesteckt haben. Zudem müsse der Test, anders als bisher vorgesehen, von einem Richter genehmigt werden. Zuvor hatte Stahlknecht bereits bei der Frage der Abschaltung von Handynetzen eingelenkt. Sie solle nur bei Geiselnahmen, Bombenanschlägen und Amokläufen möglich sein; diese Fälle sollten zudem in das Gesetz geschrieben werden. Ursprünglich wurden konkrete Beispiele wie das Fernzünden einer Bombe per Handy nur in der Gesetzesbegründung genannt. Die Opposition fürchtete, die Netze könnten auch bei Demonstrationen abgeschaltet werden. Das sei nicht der Fall, beschwichtigte Stahlknecht.

Zu einer generellen Abkehr von den umstrittenen Punkten ist die Koalition bis jetzt nicht bereit. Das Ministerium betont, ähnliche Regelungen gebe es in den Polizeigesetzen vieler anderer Bundesländer bereits. Und der CDU-Fraktionschef erklärte, an den »Grundabsichten« des geplanten Gesetzes lasse man nicht rütteln. »Es wäre völlig falsch«, sagte Schröder, »die Absicht verbesserter Polizeibefugnisse nur deshalb aufzugeben, weil in der Öffentlichkeit falsche Vorwürfe gemacht werden.«


Funkstille

Im Gesetz zum »Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung« soll es Paragraf 33, Absatz 1 der Polizei Sachsen-Anhalts erlauben, Funkstille zu verfügen: Sie könne »von jedem Dienstanbieter ... verlangen, Kommunikationsverbindungen zu unterbrechen oder verhindern, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist.« (nd)

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal