»Joko Knopp« und »Klaas Matula«

MEDIENgedanken: Fernsehen im neuen Jahr kann nur besser werden. Mal sehen.

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 4 Min.

Er geht, ganz ehrlich, irgendwie und für immer, fast. Nachdem Guido Knopp gut 30 Jahre an vorderster ZDF-Front dafür gekämpft hat, Nazis und Krieg, meist beides zusammen unterhaltsam zu machen, nachdem er der »Doku« das »-drama« verpasst hat und »History« das »-tainment«, verlässt der Zeitgeschichtler zum 65. Geburtstag Ende Januar seine Redaktion. Es ist eine echte Zäsur, wenngleich keine endgültige: »Ich werde sicherlich nicht die Hände in den Schoß legen«, sagt der Rentner in spe. Ob das mehr Drohung oder Versprechen ist, wird sich noch zeigen; Knopp hat ja nicht nur die Deutschen von Kollektivschuld befreit, sondern damit sein Medium verändert wie sonst nur die Erfindung von Castingshow und Stefan Raab. Wie sehr, lässt sich bestens im nächsten Fernsehjahr begutachten.

Denn auch 2013 wimmelt es auf allen Kanälen von historischer Fiktion. Ende Februar etwa stellt das Erste den Reichstagsbrand mit Jan Josef Liefers halbdokumentarisch zur »Nacht über Berlin« nach und Sat.1 die Affäre Guttenberg als Osterfarce »Der Minister«. Im Herbst lässt die ARD eine »Entscheidung bei Kunduz« nachspielen und zum Jahresende »Die Spiegel-Affäre«, während das ZDF erst den 50. Jahrestag von Hitlers Machtergreifung, dann Nico Hofmanns Täter-Volk-Projekt »Unsere Mütter, unsere Väter« zum Event macht.

Derlei nostalgische, rührselige, durchaus schuldbewusste, meist aber trotzige Rückblicke auf unsere Vergangenheit sind ohne Knopps beharrliche Wegebnung kaum denkbar. Und so sehr einem die Geigen darin, der Heldenkult, das ganze Pathos stört, zählt all dies doch zu den ansehnlicheren Projekten des anstehenden Programms. Was wiederum einiges über den Rest aussagt. Leider nicht viel Gutes.

Denn gutes Programm, das wird nach wie vor gern da gezeigt, wo garantiert niemand zusieht. Richtung Hochsommer, wenn die Öffentlich-Rechtlichen wieder ihre Kinoadaptionen mit Niveau versenden, zur Nacht im Zweiten, wenn das Kleine Fernsehspiel die Geisterstunde versüßt, davor in den Ablegern, wo ZDFkultur ab März gottlob die nächste Runde der unvergleichlichen »Roche & Böhmermann« einleitet, wo ZDFneo zeigt, dass Unterhaltung weder geriatrisch noch kriminalistisch sein muss, um wirklich zu unterhalten, nicht zu sedieren.

Doch wer all dies sehen will, muss sie erstmal überwinden - die Eiger Nordwand des Populärgeschmacks. Schließlich steht außer Frage, dass schlechtes Fernsehen konstant bessere Quoten hat. Da ist es kein Wunder, dass RTL 2013 weiter wenig Neues wagt, sondern mit dem verantwortungslosen Bestand dessen, was der Marktführer so Fernsehen nennt, die eigene Zielgruppe scripted real verächtlich macht. Dass die lebendig plastinierte Moderatorenattrappe Daniel Hartwich den authentischen Dirk Bach im Dschungelcamp ersetzt, muss zwischen all den importierten Blockbustern und dumpfen Krachserien, all dem zynischen Real-Life und der neuen, sicher radikalfeministischen Sitcom »Sekretärinnen« schon als Innovation gelten.

Da ist sogar von der kommerziellen Konkurrenz mehr zu erwarten. Mit der brillanten CIA-Erzählung »Homeland« zeigt Sat.1 Anfang Februar die beste aller guten US-Serien dieser Tage, bleibt seinem eigenen Anspruch serieller Leichtigkeit auch mit »Familie Undercover« treu und sowieso der private Filmproduzent schlechthin - auch wenn Romantic Movies à la »Drei in einem Bett« (8.1.) dramaturgisch dünne Bretter bohren. Die haut man sich bei Pro 7 zwar lieber über den Kopf, allerdings zusehends von Joko und Klaas, die der Schwesterkanal von Sat.1 ab 2013 exklusiv hat. Bedenkt man allerdings, dass Stefan Raab neben all den Wok- und Stockcar-Events nun eine »Karnevalsshow« macht, dürften die zwei Nachwuchskräfte das Niveau dennoch heben. Und junges Publikum an den Sender binden.

Und um das geht es. Allen. Also entzieht das ZDF nicht nur »Landarzt« und »Bergdoktor« die Approbation, sondern ersetzt Josef Matula nach 300 Fällen für zwei durch den chaotischen Waschbrettbauchermittler »Heldt« (24.1.). Deshalb wanzt sich die ARD auch mit verjüngten »Tatort«-Kommisaren an die Zielgruppe ran. Die Erfurter Alina Levshin, Friedrich Mücke und Benjamin Kramme bilden ab Herbst jedoch nicht nur das juvenilste, sondern auch das neueste einer unüberschaubaren Zahl an Teams. Wenn Til Schweiger ab März Hamburger Mörder fasst und Wotan Wilke Möhring die im hanseatischen Umland, wenn dann ein Franken-Duo dazukommt und Nora Tschirner mit Christian Ulmen einmalig zur Weihnachtssause bittet, wächst der Bestand auf 22 Einheiten für 35 Folgen. Nur schade, dass Nina Kunzendorf den Tatort Frankfurt verlässt. Aber die war ja auch eher was fürs gereifte Stammpublikum.

Das wird im Übrigen auch künftig versorgt: Bei Sat.1 mit dem Rentner-Kanal »Gold«. Im Ersten mit Staffel 2 der DDR-Saga »Weissensee« oder dem Dokudrama »George«, wo der Götz Richtung Herbst den eigenen Vater spielt, im ZDF mit Uli Edels epischem Dreiteiler »Das Adlon« (Januar), Christine Neubauer als »Holzbaronin« (Februar) oder neuen Shows mit Jörg Pilawa (ständig). Und dann kehrt auch noch Sascha Hehn zurück. Als neuer »Traumschiff«-Kapitän zum Jahresende, zuvor in der bemerkenswerten Kurzreihe »Lerchenberg«, wo er pünktlich zum 50. Geburtstag des ZDF am 1. April einen abgehalfterten TV-Star gleichen Namens auf der Suche nach neuen Aufgaben spielt. Junge Leute holt man damit in fußballturnierfreien Jahren zwar nicht an die Flatscreens. Aber so viel Selbstironie dürfte selten sein, im Fernsehjahr 2013.

Der Autor ist freier Medienjournalist und Kritiker und lebt in Hamburg.

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