Kuba erweckt den Karfreitag wieder

Staat und katholische Kirche weiter auf Versöhnungskurs

  • Leo Burghardt, Havanna
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie aus heiterem Himmel stellte Kubas Ministerium für Arbeit und Soziales in einer Resolution, die im KP-Organ »Granma« in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde, für den kommenden Freitag, den 29. März, einen arbeitsfreien Tag in Aussicht.

Der Anlass für das unverhoffte Geschenk blieb offen, und als die Leute herausgefunden hatten, dass es sich wohl um die Wiedererweckung des Karfreitags handelt, fragten sie sich, wieso das unterschlagen wurde. (Tags darauf bat die »Granma« um Entschuldigung). Denn dass der Staat und die katholische Kirche - mit anderen Religionsgemeinschaften gab es wenig Probleme - nach Jahren der Spannung und der Unwägbarkeiten zielbewusst aufeinander zugehen, weiß jedes Kind. Vor allem nach dem Besuch von Papst Johannes Paul II., der Kuba und die Welt 1998 ersuchte, sich gegenseitig zu öffnen, ist das offizielle Politik. Auch der 25. Dezember, wie der Karfreitag vor Jahrzehnten auf Eis gelegt, ist wieder anerkannter Feiertag.

200 Priester und Nonnen aus 14 Ländern, darunter Peru, Spanien, Indien, Guatemala, Nicaragua, Kanada, Puerto Rico und Italien, erhielten inzwischen Einreisevisa und arbeiten mit ihren kubanischen Brüdern und Schwestern in 600 Kirchen und Kathedralen, zwei Priesterseminaren, acht Altersheimen und einer Psychiatrie. Kardinal Ortega kann in Rundfunk und Fernsehen die Weihnachtsbotschaften seiner Kirche zelebrieren. 1992 schon wurde der Atheismus-Artikel aus der Verfassung gestrichen und durch »Kuba ist ein (...) laizistischer Staat« ersetzt. Praktizierende Gläubige dürfen seither Mitglieder der Kommunistischen Partei sein, für einen Parlamentssitz war das Glaubensbekenntnis ohnehin kein Hindernis.

All das entwickelte sich im Sinne Fidel Castros, der die Bekenntnisse der katholischen Kirche, der er selbst seine Grundausbildung verdankt, zu Nächstenliebe, Selbstlosigkeit, Schutz der Schwachen und Bedürftigen, sozialer Gerechtigkeit, Einheit der Familien und zu moralischen und staatsbürgerlichen Qualitäten zur Nachahmung empfahl.

Die katholische Kirche war in Kuba traditionell eine Religionsgemeinschaft der Reichen, die hauptsächlich in den Städten wirkte. Nach der Revolution hatte sich die Mehrheit des Klerus auf die Seite der Revolutionsfeinde geschlagen, ließ sich zu subversiven Aktionen hinreißen, verbarg wiederholt konterrevolutionäre Terroristen und paktierte noch vor der umfassenden Nationalisierung mit der CIA in einem abstoßenden Coup, der »Operation Peter Pan«. Die Feinde der Revolution hatten das Gerücht in die Welt gesetzt, das Castro-Regime wolle kooperationsunwilligen Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder entziehen und sie gleichsam zu Staatseigentum machen. Es gab viele Eltern, die das glaubten, und mit Hilfe der katholischen Kirche Kubas und Floridas wurden von Dezember 1960 bis Oktober 1962 schätzungsweise 16 000 Kinder ausgeflogen. Viele sahen ihre Eltern nie wieder. Das verhärtete die Beziehungen für Jahrzehnte. 1959 schon wurden 131 ausländische Priester des Landes verwiesen, 500 gingen freiwillig.

Bis Anfang der 90er Jahre blieb das Verhältnis kühl. Mit der Sonderperiode gewann Pragmatismus Raum. Es ist schließlich vernünftiger, in schweren Zeiten miteinander auszukommen, zumal die moralisch-ethischen Prinzipien von Staat, Regierung und Kommunistischer Partei Kubas mit denen der katholischen Kirche weitgehend übereinstimmen. Die Kirche entwickelt sich ebenfalls. Als im Dezember vergangenen Jahres erstmals seit 60 Jahren eine landesweite Prozession zu Ehren der Nationalheiligen Caridad del Cobre veranstaltet wurde, wünschte Kardinal Jaime Ortega, die Jungfrau möge Präsident Raul Castro bei seinen Reformen beistehen. Der Präsident wiederum kommentierte auf dem 6. KP-Kongress die Entlassung von 115 wegen subversiver Tätigkeit Verurteilter mit den Worten: »Im Rahmen eines Dialogs, getragen von gegenseitigem Respekt, Loyalität und Transparenz mit der Hierarchie der katholischen Kirche, konnte diese Aktion harmonisch beendet werden, die Lorbeeren gebühren dieser Institution:«

So nimmt es nicht Wunder, dass einer der fünf kubanischen Fernsehkanäle die gesamte Inthronisierung von Papst Franziskus übertrug, dem Vizepräsident Miguel Diaz-Canel im Namen Raúl Castros und des kubanischen Volkes Erfolg bei seinem Pontifikat wünschte. Die Verwandlung Kubas in eine Enklave des Vatikans steht trotzdem nicht auf der Tagesordnung. Es geht ganz einfach um Öffnung, um Aktualisierung. Kubas Führung nimmt sie ernst, die katholische Kirche.

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