»Wer bietet mehr«: die Presseschau zum Parteitag der Linken

K-Frage einmal ganz anders: Krieg, Kuschelpädagogik, Kampf, Knatsch - was die Zeitungen zum Parteitag schreiben

  • Lesedauer: 5 Min.

Die Süddeutsche berichtet von einer Linken „zwischen Krieg und Kuschelpädagogik“, Spiegel online schlagzeilt „Kampf dem Knatsch“. Auf Zeit.de hat man einen ersten Parteitagstag „beseelt von linker Harmonie“ erlebt. Und im "Tagesspiegel" bekommt man einen eher nüchternen Text über den Auftritt von Linken-Chef Bernd Riexinger angeboten. Im Deutschlandfunk gibt es erste Impressionen vom Parteitag - hier zum Nachhören.

Die eigentliche Parteitagsberichterstattung findet inzwischen ohnehin eher woanders statt: auf Twitter. Man mag bezweifeln, dass der Trend lange hält - aber derzeit ist er außerordentlich beliebt: kurze Schlaglichter auf unmittelbar Erlebtes, direkte Kommentierung einzelner Sätze, Schlagabtausch zwischen Journalisten und twitternden Delegierten. Alles direkt zum Nachlesen hier.

Auf "Welt.de" ist am Morgen ein Gastbeitrag von Linken-Chefin Katja Kipping zu lesen - es geht um Mindestlöhne, einen höheren Spitzensteuersatz "und Ideenklau von SPD und Grünen". Kipping schreibt: "Mietpreisbremse, Begrenzung der Dispozinsen oder die Abwrackprämie für Strom fressende Haushaltsgeräte. Alles Ideen aus dem Hause Die Linke, der sozialen Ideenwerkstatt in diesem Land – aber schlecht kopiert von SPD und Grünen." (Interessanterweise gibt es den Gegenpart dazu heute auf FAZ.net - hier ist ein Gastbeitrag von Peer Steinbrück erschienen.)

Und wie steht der erste Meinungspegel nach ein paar Stunden Parteitag?

In der „Rheinischen Post“ ist man sich schon ganz sicher: „Man mag sie verabscheuen oder nicht. Doch die Linke gehört inzwischen zu den etablierten Parteien. Ihre politischen Vorschläge sind ernst zu nehmen. Was die Linke auf ihrem Parteitag in Dresden beschlossen hat, ist indes von jeder Regierungsfähigkeit weit entfernt.“ Nun, liebe „Rheinische Post“: Bisher hat die Linke in Dresden noch gar nicht so viel beschlossen. Besser ist: Erst Abstimmung abwarten, dann kommentieren. Man darf annehmen, dass die Grundaussage aber auch morgen noch steht: „500 Euro für Hartz-IV-Empfänger, zehn Euro Mindestlohn und 1050 Euro Mindestrente hören sich nach einer sozialromantischen Wunschliste an, die nur über hemmungslose Schuldenmacherei und massive Steuererhöhungen zu finanzieren ist. Der Wettbewerb von SPD, Grünen und Linken um linke Wähler treibt schon sonderbare Blüten.“

Die „Neue Osnabrücker Zeitung“ meint, der Linken sei „irgendwie der Schwung abhandengekommen“ - und außerdem glaubt das Blatt, den Schuldigen zu kennen: „Das liegt auch daran, dass die tüchtige Ost-Frau Kipping mit dem West-Mann Bernd Riexinger einen Ko-Vorsitzenden hat, der wie aus der Zeit gefallen wirkt. Mit veralteten Kampfparolen und der Forderung nach maximaler Rundum-Versorgung ödet er nur an.“

Die „Dresdner Neuesten Nachrichten“ kommentieren den Parteitag der Linken mit dem nun auch nicht mehr ganz so originellen Hinweis, „alle Beschwörungsformeln können nicht darüber hinwegtäuschen, dass erstens die Konflikte zwischen radikalen Westlinken und reformorientierten Ostlinken noch nicht vom Tisch sind. Und dass zweitens die Programmatik zu kurz greift, wenn sie vor allem darauf setzt, die Umverteilungsmaschine anzuwerfen. Inzwischen versprechen fast alle Parteien, ob CDU, SPD oder Grüne, soziale Wohltaten. Auf das Wer bietet mehr? fällt der Wähler nicht herein. Realitätsnahe, bodenständige linke Politik zu betreiben, ist ein hehres Ziel. Der Dresdner Parteitag wird zeigen, wie nah die Linken diesem Anspruch kommen.“

Nicht zu vergessen das „Delmenhorster Kreisblatt“: Die Zeitung meint, „wer Politik ohne Folgenabschätzung betreibt, kickt sich selbst ins Abseits. Mit dem vorliegenden Programm bleiben die Linken im Bund komplett koalitionsunfähig. Und das bedeutet, dass sie am 22. September an keiner Regierung beteiligt werden.“

Etwas mehr als politisches Graubrot dieser Art (krümelt ziemlich vor sich hin, wurde schon oft gehört, macht nicht satt) liest man auf Cicero online, wo sich Robert Lorenz vom Göttinger Institut für Demokratieforschung Gedanken über die Linke und den Stand ihrer Entwicklung macht: „Innerhalb der Linken existieren mehrere Stile, Politik zu begreifen und Politik zu machen – nicht nur die Inhalte, sondern auch die Prozeduren unterscheiden sich zum Teil stark. Es fehlen derzeit aber Persönlichkeiten, welche die hohe politische Führungskunst beherrschen, diese abweichenden Einstellungen und Wünsche zu managen, teilweise Unvereinbares nebeneinander bestehen zu lassen, politologisch formuliert: Heterogenität zu integrieren“, schreibt Lorenz. „Die Linke ist eine vielseitige Partei. Aber ihr gelingt es nicht, gegenüber potenziellen Wählerinnen und Wählern diese Vielfalt als etwas Konstruktives, Vorteilhaftes darzustellen. Stattdessen erscheint sie stets als selbstzerstörerisch oder gelähmt. Einer solchermaßen destruktiven oder zumindest phlegmatischen Partei traut jedoch kaum jemand zu, Politik zu verändern und Interessen zu vertreten – die fundamentalen Aufgaben einer Partei.“

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