Der Bluff mit den Atomkraftwerken

Energiekonzerne hoffen auf staatliche Sondervergütungen

Trotz hoher Strompreise beim Endkunden: Der Betrieb von Atomkraftwerken ist nicht mehr richtig profitabel. Die Energiekonzerne hoffen auf staatliche Zuschüsse.

Es klingt wie eine Steilvorlage für die Kritiker der Atomkraft: Die hiesigen AKW lassen sich offenbar nicht mehr rentabel betreiben. »Fakt ist, dass Kernkraftwerke durch die Kernbrennstoffsteuer momentan ganz überwiegend Geld für die Staatskasse verdienen«, sagte E.on-Vorstand Mike Winkel am Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Der »Bild«-Zeitung sagte Winkel zudem: »Wir prüfen laufend, ob sich der Betrieb unserer Kraftwerke, auch der Kernkraftwerke, noch lohnt.«

Zwar wird dementiert, dass Stilllegungen derzeit zur Debatte stehen, aber die Möglichkeit einer Laufzeitverkürzung für die noch nicht abgeschalteten AKW steht zumindest im Raum. Offenbar bauen die Energiekonzerne derzeit eine Art Drohkulisse für die Bundesregierung auf. Diese hat es nämlich trotz vor Jahren ausgerufener Energiewende versäumt, das Problem der stark schwankenden Stromeinspeisung aus Wind- und Solaranlagen anzugehen. Der Markt jedenfalls richtet es nicht: Der Boom der Erneuerbaren hat dafür gesorgt, dass der Großhandelspreis für die Megawattstunde Strom wegen des zusätzlichen Angebots von über 50 Euro auf 35 bis 37 Euro gefallen ist. Gleichzeitig laufen viele konventionelle Kraftwerke nur noch zeitweilig. Sie sind daher unrentabel - mit Ausnahme von Kohlekraftwerken, die von niedrigen Rohstoff- und Emissionshandelspreisen profitieren. So ist es auch zu erklären, dass bei der Bundesnetzagentur derzeit 15 Stilllegungsanträge vor allem für Gaskraftwerke vorliegen, die als optimale Ergänzung für die schwankenden Erneuerbaren gelten. Und der norwegische Energieversorger Statkraft eröffnete Mitte Juni im nordrhein-westfälischen Hürth ein 350 Millionen Euro teures Gaskraftwerk, fährt es aber vorerst nicht an, während andere Unternehmen Neuinvestitionen abblasen.

Auch die AKW bereiten ihren Betreibern Kopfzerbrechen. Diese wollen aber ihre Anlagen natürlich nicht vorzeitig abschalten, im Gegenteil: Sie setzen darauf, dass die Bundesnetzagentur die neun verbliebenen Atomkraftwerke, die schrittweise bis 2022 abgeschaltet werden sollen, als »systemrelevant« einstuft und ein planmäßiges Abschalten wegen drohender Stromengpässe untersagt. Dann müsste gemäß der sogenannten Winterverordnung das AKW weiter betrieben werden - der Versorger bekäme eine Sondervergütung, die den Strompreis für Verbraucher weiter erhöhen wurde.

E.on pokert also, doch Atomkraftgegner sprechen von einem reinen Bluff: Es gebe gar keine Engpässe und gerade AKW seien, da unflexibel, als Reservekraftwerke gänzlich ungeeignet. »Wir raten der Bundesregierung: Nehmt die AKW-Betreiber beim Wort und sorgt für einen schnelleren Atomausstieg«, erklärte Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation »Ausgestrahlt«. AKW seien überhaupt nur deshalb noch einträglich für die Stromkonzerne, weil viele Kosten der Gesellschaft aufgebürdet werden.

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