Verwanzte Welt

Klaus Joachim Herrmann über die NSA-Spionage

  • Lesedauer: 2 Min.

Was waren das noch für Zeiten, als der Lauscher an der Wand oder gar ein Abhörsender im Telefon für wütenden Protest sorgte? Welche Skandale verursachte Superspionin Mata Hari? Über das Callgirl Christine Keeler mit seinen Geheimdienstkontakten stürzte ein britischer Premier. Die USA stellten einst wegen Verwanzung ihres Botschaftsneubaus in der sowjetischen Hauptstadt die örtlichen Bauleute und ihre heimlichen Helfer an den Pranger der diplomatischen Sittenwidrigkeit. Selbst mühselig getippte oder gar per Hand in dürftiger Schönschrift verfasste Berichte haben mit dem schaurigen »Stasi«-Hinweis bis heute eine gesellschaftliche Ächtung der Verfasser zur Folge.

Inzwischen hat aber der US-Geheimdienst NSA die ganze Welt verwanzt. Seine Spione sind überall, wo Elektronik ist. Die aber ist überall, wo wir sind. Die Rechte auf Privatsphäre, Brief- und Fernmeldegeheimnis und aller Anstand und jede Moral sind längst außer Kraft. Es wird schamlos mitgelesen, mitgehört, hingesehen. Nicht einmal Diplomatenpost ist noch ihr Siegel wert.

Jeder und alles ist öffentlich - für ausgewählte Geheimdienste. Über jeden vernünftig zu begründenden Bedarf hinaus sammeln sie, wessen sie habhaft werden. Sie sind die Superspitzel der Gegenwart, führen längst ihr Eigenleben - ohne wirksame Kontrolle und ohne ernstlichen Protest. Beides wäre aber äußerst dringend. Denn die Besitzer der wertvollsten Informationen waren noch immer die wirklichen Herrscher.

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