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Köpft die Botin

Journalistenüberwachung in Niedersachsen: CDU greift VS-Präsidentin an

  • Lesedauer: 3 Min.

Die mehrfach für ihre engagierte Berichterstattung über neonazistische Aktivitäten ausgezeichnete Journalistin Andrea Röpke hat bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gestellt - wegen Verdachts der Urkundenunterdrückung. Röpke hatte beim niedersächsischen Verfassungsschutz angefragt, ob dort Daten über sie gespeichert sind. Anstatt wahrheitsgemäß zu antworten, dass es Einträge gibt, löschten die Schlapphüte ihr Material und belogen die Journalistin: Es sei nichts gespeichert. Neben Andrea Röpke hat der Nachrichtendienst über mindestens sechs weitere Medienleute unrechtmäßig Daten gesammelt, so auch über den freien Journalisten Ronny Blaschke. Er will mit seinem Anwalt erörtern, ob er ebenfalls strafrechtliche Schritte unternimmt, erklärte er gegenüber »nd«.

Als »ungeheuerlichen Vorgang« wertete der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Grant Hendrik Tonne, am Mittwoch im Parlament die Spitzelei gegen Journalisten. Es sei richtig gewesen, dass Innenminister Boris Pistorius (SPD) in der vergangenen Woche die Öffentlichkeit über den Skandal informierte. Für den Verfassungsschutz habe zur Zeit der Datensammelei CDU-Innenminister Uwe Schünemann die Verantwortung getragen. Jener Ressortchef, der »mit an den Haaren herbei gezogenen Argumenten« die LINKE in Niedersachsen flächendeckend habe überwachen lassen.

Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Jens Nacke, hielt sich nicht damit auf, das Geschehen zu Schünemanns Amtszeit auch nur ansatzweise kritisch zu erwähnen. Stattdessen startete er eine Attacke gegen die Frau, der die Aufdeckung der Spitzelei zu verdanken ist: Maren Brandenburger, Präsidentin des niedersächsischen Verfassungsschutzes. Sie hatte die Datenspeicherung entdeckt, den Innenminister informiert und auch die von der Behörde belogene Andrea Röpke. So wie es das Gesetz vorschreibt, hatte Brandenburger die Daten löschen lassen.

Durchaus korrekt gehandelt

Unionsmann Nacke polterte: Erst hätte die Präsidentin das Gespeicherte nur sperren lassen müssen. Dann ständen die gesammelten Informationen nach wie vor zur Verfügung, um die ganze Sache aufklären zu können. Wenn es stimme, dass Brandenburger gegen den ausdrücklichen Rat ihrer Fachleute die Daten löschte, dann müsse der Innenminister die Behördenchefin entlassen.

Eine »Dreistigkeit« sei Nackes Angriff gegen die Präsidentin, unterstrich Helge Limburg, Innenexperte der Grünen. »In der Amtszeit von Maren Brandenburger ist der Skandal nicht geschehen, sondern aufgeklärt worden.« Der Verfassungsschutz habe seinerzeit nach typisch Schünemannscher Denkweise gehandelt: Wer sich zu sehr mit Rechtsextremismus beschäftigt, wie etwa Andrea Röpke, wird automatisch dem linken Spektrum zugeordnet.

Von Innenminister Pistorius musste sich Jens Nacke belehren lassen, dass die Präsidentin durchaus korrekt gehandelt hatte: Unzulässige Daten seien aufgrund der gesetzlichen Vorschriften zu löschen. »Sie lenken ab und zeigen auf diejenigen, die aufklären wollen«, rief Pistorius der Opposition entgegen. Nun bleibt abzuwarten, ob weitere rechtswidrige Speicherungen beim Verfassungsschutz ans Tageslicht kommen. Etwa 9000 Datensätze werden darauf überprüft, ließ der Innenminister das Parlament wissen.

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