Israel beendet Boykott gegen den UN-Menschenrechtsrat

Vor 19 Monaten wollte sich die Regierung keine Evaluierung ihrer Siedlungspolitik gefallen lassen - nimmt man das jetzt hin?

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 2 Min.
Ein Jahr und sieben Monate blieb Israel aus Verdruss dem UN-Menschenrechtsrat fern. Seit Dienstag nimmt wieder ein israelischer Vertreter teil. Warum wird die Kröte jetzt geschluckt?

Im März 2012 hatte Israel die Tür zum Menschenrechtsrat knallend ins Schloss geworfen. Das seit 2006 bestehende UN-Gremium hatte eine Untersuchung der israelischen Siedlungspolitik im besetzten palästinensischen Gebiet auf die Tagesordnung gesetzt, und dies blieb auch so, trotz Drucks aus den USA; denn anders als im Sicherheitsrat kennt der Menschenrechtsrat keine keine Mitglieder mit Vetorecht, mit Hilfe dessen Mehrheitsentscheidungen unterlaufe werden können.

Die seinerzeitigen israelischen Erklärungen für den Auszug gingen auf den Streitgegenstand kaum ein. Außenminister Avigdor Lieberman, selbst von den Verbündeten gefürchtet als der Prototyp eines Undiplomaten, echauffierte sich, Einmischung in »rein israelische Angelegenheiten« wie »Wohnungsbau« nehme er nicht hin; was auch das Berliner Auswärtige Amt in Verlegenheit brachte, ist es in der EU doch gemeinsamer Standpunkt, die israelische Landnahme im Westjordanland nichts als »Wohnungsbau«, sondern als völkerrechtswidrig einzustufen. Der israelische Regierungssprecher Yigal Palmor schob damals noch nach, in vielen Mitgliedsländern des Menschenrechtsrats würden Menschenrechte verletzt. Er warf dem Rat vor, Israel »zu viel« Aufmerksamkeit zu schenken. Eine weitere Kooperation mit dem Gremium ergebe für Israel keinen Sinn mehr, so der Sprecher.

An dieser Konstellation hat sich seither wenig geändert. Trotzdem will Israel jetzt offenbar eine Beurteilung seiner Besatzungspolitik über sich ergehen lassen. Warum also der Sinneswandel? Zunächst einmal muss Lieberman infolge einer Betrugsanklage auf die Ausübung des Außenministeramtes verzichten, was der israelischen Außenpolitik Freiräume für diplomatisches Verhalten eröffnet. Dazu kommt wohl eine unter der Hand gegebene Zusicherung, dass eine scharfe Verurteilung kaum zu erwarten ist. Selbst wenn, so wäre sie praktisch folgenlos.

Aber die Spatzen pfeifen etwas anders von den Dächern. Israel möchte in der UNO künftig der Regionalgruppe der westlichen Staaten zugerechnet werden. Dies aber geht nicht ohne die Zustimmung von allen deren Mitgliedern, und zu diesen zählt die Türkei. Ankara aber verlangt Konzessionen in der Nahostpolitik. Im konkreten Fall heißt das wohl: Akzeptanz der Regeln im Menschenrechtsrat, wenigstens zeitweilig. Israels UN-Botschafter Eviatar Mano erklärte am Dienstag, die Wiederaufnahme der Zusammenarbeit erfolge »unter starken Vorbehalten«.

Unterdessen sind in Israel am Dienstag jene 26 palästinensischen Gefangenen von Rotkreuzvertretern medizinisch untersucht worden, die in der Nacht zum Mittwoch freigelassen werden sollten. Sie alle waren seit mindestens 19 Jahren eingekerkert. Bis zuletzt gab es wütende Proteste von Israelis gegen die Freilassung. Mitglieder der nationalreligiösen Siedlerpartei »Jüdisches Heim« skandierten »Tod den Terroristen« und schwenkten Plakate mit der Aufschrift »Sind wir verrückt? Wir lassen Mörder frei!«

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