Erosion zerstört Nahrung

Geograf Jes Weigelt über die Gefährdung einer lebensnotwendigen Ressource

  • Lesedauer: 3 Min.
Kaum eine Ressource ist so lebensnotwendig und zugleich so wenig beachtet und geschützt wie der Boden. Von ihm hängen Ernährungssicherung und funktionierende Ökosysteme ab. Doch wie kann man ihn schützen, wie ihn ins Bewusstsein der Menschen bringen? In Berlin fand dazu letzte Woche die 2. Global Soil Week statt. Mit Jes Weigelt, dem Projektleiter des Global Soil Forums am Institut for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam, sprach Anja Laabs.

nd: Ohne intakte Böden gibt es keine intakten Ökosysteme. Hängt von Böden also die Existenz des Menschen ab?
Weigelt: Ohne den Boden als hoch komplexes Ökosystem und damit ohne fruchtbare Ackerböden können nicht genug Lebensmittel produziert werden. Mehr als 90 Prozent der Lebensmittel werden auf Böden produziert. Zudem sind Böden selbst ein wichtiger Bestandteil des gesamten Ökosystems Erde. Verändern sie sich, werden auch andere Ökosystemkomplexe, zum Beispiel der Wasser- und Kohlenstoffhaushalt, beeinflusst. Bodenschutz hat zudem auch einen rechtlichen Aspekt. Denn das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht.

Was bedroht und zerstört die Böden?
Die größten Bedrohungen für unsere Böden sind Erosion, Versiegelung und Wüstenbildung. Ungeschützte Böden erodieren, indem sie mit Wasser und Wind weggetragen werden. Wüstenbildung setzt dort ein, wo Pflanzen nicht mehr wachsen können. Insbesondere in den städtischen Ballungsgebieten nimmt die Landversiegelung zu. In Europa sind pro Einwohner 200 Quadratmeter Bodenfläche versiegelt. Gemessen an der menschlichen Lebenszeit, sind Böden keine erneuerbare Ressource. In Deutschland wird vier Mal mehr Boden abgetragen als neu gebildet. Unsere Konsummuster führen zur Bodenübernutzung. Durch den Welthandel werden Böden aber oft an ganz anderen Orten zerstört. 60 Prozent der Fläche, die Deutschland für seine landwirtschaftlichen Produkte beansprucht, liegen außerhalb von Europa! Beispiel Soja: Es ist hauptsächlich ein Futtermittel für die Fleischproduktion, wird aber in Südamerika angebaut.

Wie hängen die landwirtschaftliche Agrarproduktion und die Lebensmittelproduktion mit dem Konsumverhalten der Menschen zusammen?
Ein Vergleich: Um einen Menschen mit Rindfleisch zu ernähren, wird 15 Mal mehr Landfläche benötigt als bei einer weizenbasierten Ernährung. Je stärker ein Lebensmittel veredelt wird, desto mehr Ressourcen - Boden und Wasser - werden verbraucht. Viel hängt hier vom individuellen Konsumverhalten ab. Aber landwirtschaftliche Agrarprodukte dienen ja nur teilweise der menschlichen Ernährung. Viel Fläche wird beispielsweise für den Anbau von Energiepflanzen genutzt.

Wie lassen sich Böden besser schützen?
Grob gibt es hier zwei Ansätze: Einerseits die Rehabilitation geschädigter Böden, andererseits die nachhaltige Nutzung und der Schutz intakter Böden. Die Landnahme durch Städte kann beispielsweise durch Rückgewinnung städtischer Brachflächen begrenzt werden. Bodenschutz muss allerdings grenzüberschreitend sein. Hier gibt es große Probleme. Auf der Global SoilWeek haben wir über Lösungsmöglichkeiten gesprochen.

Was sind das für Probleme und wie können sie in Zukunft gelöst werden?
Erstens brauchen wir mehr Forschung, um den Zustand der Böden systematisch zu erfassen, zweitens bessere Möglichkeiten um das Problem des Bodenschutzes ins Bewusstsein der Bevölkerung zu bringen, drittens ein verändertes Konsumverhalten und viertens nationale, internationale und verbindliche Bodenschutzabkommen. Ein solches ist die 2006 vorgeschlagene Bodenschutzrahmenrichtlinie der Europäischen Kommission. Einige Länder, auch Deutschland, lehnen sie ab. In den aktuellen Koalitionsverhandlungen wird sich nun die Position hinsichtlich eines europäischen Bodenschutzes zeigen. Auch wenn Deutschland die Richtlinie nicht unterstützen will, so wäre es doch ein wichtiges Signal an die anderen europäischen Länder, sie wenigstens nicht zu blockieren, um den Weg frei für einen verbindlichen Bodenschutz zu machen.

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