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Mitgliederentscheid: Die SPD zählt aus

Große Koalition - oder große Krise der Sozialdemokratie? Ergebnis soll vor 15 Uhr bekannt werden / Debatte in der Linken um Basisvoten

  • Lesedauer: 8 Min.

14.20 Uhr: Der bisherige Umweltminister Peter Altmaier (CDU) soll Nachfolger von Ronald Pofalla als Chef des Kanzleramts und Bundesminister für besondere Aufgaben werden. Das berichtet die in Düsseldorf erscheinende »Rheinische Post« unter Berufung auf CDU-Führungskreise. Der 55-jährige Saarländer soll bereits seit Wochen über den Wechsel Bescheid wissen, hieß es. Seine kommunikativen Fähigkeiten und seine guten Kontakte zu den Sozialdemokraten sollen ausschlaggebend gewesen sein für die Koordinierungsfunktion im Kanzleramt. Damit werden mit Heiko Maas und Peter Altmaier zwei Saarländer im neuen Kabinett vertreten sein.

14 Uhr: Die Bekanntgabe des Ergebnisses des SPD-Mitgliederentscheids zur großen Koalition verzögert sich doch noch - Parteichef Sigmar Gabriel will das Resultat voraussichtlich zwischen 14.30 und 15.00 Uhr verkünden. Der Grund: Die Spitzenpolitiker der Sozialdemokratie sind noch nicht da.

13.40 Uhr: Der Juso-Vorsitzende von Berlin Lichtenberg, Kevin Hönicke, twittert: Es werde in der Auszählungshalle gejubelt. Was als Signal für eine Zustimmung der SPD-Basis zur Großen Koalition interpretiert wird. Hönicke: »Das heißt, die #GroKo kommt!«

13.30 Uhr: Ursula von der Leyen ist womöglich doch für einen anderen Job im Gespräch - Nach Informationen der »Süddeutschen Zeitung« soll Ursula von der Leyen das Verteidigungsressort übernehmen. Meldungen, sie werde Innenministerin, wurden gegenüber dem Blatt aus Unionskreisen dementiert. Der bisherige Verteidigungsminister Thomas de Maizière bleibe demnach zwar Minister, sein künftiges Ressort ist aber noch nicht bekannt.

12.40 Uhr: Im künftigen Kabinett von Union und SPD könnte es der »Bild«-Zeitung zufolge eine weitere überraschende Besetzung geben: Das Innenministerium solle an die bisherige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gehen, berichtete die Zeitung am Samstag aus Koalitionskreisen. Eine Bestätigung für den Bericht gab es zunächst nicht. In Regierungskreisen wurde zur Vorsicht angesichts der vielfältigen Personalspekulationen gemahnt. Die CDU will ihre Ministernamen offiziell erst am Sonntag nennen. Von der Leyen wäre die erste Frau auf dem Posten des Bundesinnenministers. Sie war in den vergangenen Tagen unter anderem als neue Gesundheitsministerin gehandelt worden. Bislang ist Hans-Peter Friedrich von der CSU Innenminister.

12.30 Uhr: Der scheidende DGB-Chef Michael Sommer hat den Koalitionsvertrag von Union und SPD als Erfolg der Gewerkschaften gewertet. Die vereinbarten Verbesserungen bei der Rente, die Begrenzung der Leiharbeit und der Mindestlohn von 8,50 Euro wären ohne die Kampagnen der Gewerkschaften nicht zustande gekommen, sagte Sommer am Samstag in Lübeck. Er war der Hauptredner bei der Bezirkskonferenz des DGB Nord.

11.50 Uhr: Die SPD wird das Ergebnis ihres Mitgliedervotums über die Große Koalition am Samstag bereits um 14 Uhr verkünden. Der Auszählungsprozess der 333.500 abgegebenen Stimmen laufe schneller als erwartet, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Parteikreisen.

11 Uhr: Zwischenstände wird die SPD übrigens nicht bekannt geben. Und es wird wohl auch keine inoffiziellen Meldungen aus der »Station« geben - die Auszählungshelfer mussten vor Beginn ihrer Arbeit alle Handys, Tablets, Kameras und was sonst noch für die Information der Außenwelt taugen könnte, abgeben.

10.30 Uhr: Der Brandenburger Linkenpolitiker Peer Jürgens hat sich zur Basisdemokratie geäußert - und kritisiert, dass in seiner Partei das Instrument des Mitgliederentscheids »auf Bundes- und Landesebene im Prinzip nicht genutzt« würde. »Gibt es zu wenig kontroverse Themen? Oder sind die Quoren eventuell doch noch zu hoch?«, fragt der Landtagsabgeordnete - und verweist auf den seiner Meinung entscheidenden Punkt, »ob zu bestimmten Fragen eine zwingende Abstimmung in der Mitgliedschaft durchgeführt werden sollte«. Eine für bestimmte Themen - Regierungsbeteiligung etwa - verpflichtende Basisbefragung hält Jürgens für eine »Aufwertung des Mitgliederentscheids«, welche der Linkspartei »gut zu Gesicht stehen« würde.

10.15 Uhr: Brandenburgs Ministerpräsident und SPD-Landeschef Dietmar Woidke ist »sehr optimistisch«, dass das Votum der Parteimitglieder zum schwarz-roten Koalitionsvertrag positiv ausfällt. Am Samstag sollen die Stimmen ausgezählt und das Ergebnis bekanntgegeben werden. Diese Mitgliederbefragung setze Maßstäbe, nicht nur für die SPD, sagte Woidke der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. »Auch andere Parteien werden über stärkere Einbindung ihrer Mitglieder nachdenken. Entscheidungen nur in Hinterzimmern, das war einmal«, meinte der Regierungschef, der auch dem SPD-Bundesvorstand angehört.

10 Uhr: Die von einer großen Koalition geplante ausbleibende Senkung des Rentenbeitrags kostet Beschäftigte und Unternehmen nach »Focus«-Informationen im kommenden Jahr je 2,9 Milliarden Euro. Das stehe im Entwurf für ein »Beitragssatzgesetz 2014«, das Union und SPD am Donnerstag in den Bundestag einbringen wollten, schreibt das Magazin. Wegen der prall gefüllten Rentenkasse müsste der Beitrag zum 1. Januar von jetzt 18,9 auf 18,3 Prozent vom Bruttolohn sinken. Diesen Mechanismus wollen Union und SPD aber außer Kraft setzen, um Mütterrente und Rente mit 63 bezahlen zu können.

9 Uhr: Am Freitag ist die Abkürzung »GroKo« zum Wort des Jahres 2013 gekürt worden. Die Gesellschaft für deutsche Sprache begründete ihre Entscheidung unter anderem damit, dass es sich hier um eine interessante Wortbildung handele, die Sprachwitz und Kreativität zeige. Nun ja. Worum es bei »GroKo« in Wahrheit geht, findet man im Internet: europäischen Spinat. Unter dem Label »GroKo« vertreibt die neuseeländische Firma Pinguin von ihrem Sitz in Whangarei aus »eine Reihe von europäischem Spinat«. Schönes Logo übrigens.

8.50 Uhr: Die Nachrichtenagentur AFP hat einen Hintergrund zu den »Erfahrungen der Parteien mit Mitgliederentscheiden« gesendet. Man findet Beispiele aus SPD, von den Grünen und von den basisdemokratischen Flaggschiffen FDP und CDU. Die Linkspartei hat die AFP - sagen wir mal: vergessen. Dabei ist deren jüngste Basisbefragung noch gar nicht so lange her. Ende 2011 stimmten die Genossen über das in Erfurt beschlossene neue Grundsatzprogramm der Partei ab. Das Ergebnis wurde fast genau vor zwei Jahren bekanntgegeben - am 18. Dezember 2011 um 15.30 Uhr: 34.199 Linke-Mitglieder hatten ihre Stimme abgegeben, 34.160 Stimmen waren gültig. (Die Zahl der ungültigen Voten ist bei der SPD dramatisch höher - es könnte spannend sein, die Frage nach dem Warum zu beantworten.) Bei der Linken stimmten seinerzeit 32.728 Mitglieder mit Ja, das waren 95,81 Prozent.

8.30 Uhr: Die SPD macht nicht zum ersten Mal eine Mitgliederbefragung. Bislang konnten die Genossen vor allem dann mitbestimmen, wenn es um Personalfragen ging. Eine Erfolgsgarantie bedeutet die Kür durch die Basis aber nicht: Der 1993 von den Mitgliedern gewählte Parteichef Rudolf Scharping scheiterte schnell. Auch auf Landesebene kamen per Urwahl bestimmte Spitzenkandidaten nicht immer gut beim Wähler an. Ausnahmen sind Niedersachsen und Schleswig-Holstein: Dort sind derzeit zwei SPD-Ministerpräsidenten im Amt, die sich per Mitgliederentscheid gegen innerparteiliche Konkurrenten durchgesetzt hatten. Über den Kanzlerkandidaten ließ die SPD bislang noch nie abstimmen. Was Sachfragen angeht, so muss es laut Satzung dann einen Mitgliederentscheid geben, wenn zehn Prozent der Mitglieder es fordern.

8.20 Uhr: Für Freunde der Technik und alle, die es genau wissen wollen - die SPD hat in den Hallen des ehemaligen Berliner Bahn-Ausbesserungswerks »Station« nahe des Potsdamer Platzes 64 Sortiertische und 32 Auszähltische aufgestellt. Die Briefe werden zuvor von zwei Hochleistungsbrieföffnermaschinen aufgefräst. Zur Kontrolle des Ganzen sind 43 Mitglieder der Mandatsprüfungs- und Zählkommission der SPD sowie ein unabhängiger Notar vor Ort.

8.10 Uhr: Bereits am Freitagabend waren die rund 400 Freiwilligen im Berliner Willy-Brandt-Haus von SPD-Schatzmeisterin Barabara Hendricks begrüßt worden. Die Sozialdemokraten zitierten einen der Helfer - Nils Rochlitzer aus Potsdam - mit den Worten: »Das ist eine einmalige Gelegenheit bei solch einem Prozess mal dabei zu sein. Das Mitgliedervotum ist ein wunderbares Instrument, das die SPD gerade einführt. Das ist erstmalig in der deutschen Geschichte und sehr spannend!«

8 Uhr: In der Halle in Berlin werden die Umschläge der Wahlunterlagen zunächst geöffnet. In den frühen Morgenstunden haben rund 400 freiwillige Helfer dann mit der eigentlichen Arbeit begonnen: Unter notarieller Aufsicht wird hinter verschlossenen Türen ausgezählt. Der schleswig-holsteinische SPD-Landeschef Ralf Stegner freute sich am Samstagmorgen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: Dass 70 Prozent der Mitglieder abgestimmt haben, sei eine »tolle Beteiligung! Wir wagen wirklich mehr Demokratie als andere Parteien«.

7 Uhr: Die SPD hat in der Nacht zu Samstag mit der Auswertung des Mitgliederentscheids über den Koalitionsvertrag begonnen. Die Stimmzettel waren in der Nacht in eine eigens angemietete Halle nach Berlin-Kreuzberg gebracht worden. Der Berliner SPD-Chef Jan Stöß twitterte um halb vier am Morgen: »In 30 Minuten beginnen die Schlitzmaschinen ihre Arbeit. Dann wird gezählt.« Auf im Internet verbreiteten Fotos sind Lastkraftwagen der Post zu sehen, aus denen große Paletten mit den Wahlbriefen ausgeladen werden.

6 Uhr: Mehr als 300.000 der 470.000 SPD-Mitglieder haben sich an dem Votum über den Koalitionsvertrag beteiligt. Bis zum späten Nachmittag soll Klarheit darüber herrschen, ob die Parteibasis der Regierungsbeteiligung der SPD als Juniorpartner in einer großen Koalition zustimmt oder die Partei lieber in der Opposition sehen möchte. Die Parteiführung rechnet mit einem klaren Ja zur großen Koalition - und sie hat dies auch die Basis via Medien wissen lassen. Agenturen/nd

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