Geisterbeschwörung auf Schloss Meseberg

Das schwarz-rote Bundeskabinett sucht auf Klausurtagung nach Kompromissen

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Mindestlohn, Rente und Bundeswehr in Afrika: An strittigen Themen mangelt es nicht, wenn das Bundeskabinett heute zu seiner ersten Klausurtagung in Meseberg zusammenkommt.

Das brandenburgische Schloss Meseberg ist das Gästehaus der Bundesregierung und seit einigen Jahren der Ort für Klausuren des Bundeskabinetts. Der »Geist von Schloss Meseberg« ist kein Gespenst, sondern angeblich eine magische Kraft, die selbst zerstrittene Regierungspartner wieder zusammenbringt. Am heutigen Mittwoch trifft sich die schwarz-rote Ministerriege erstmals zu einer Klausur im alten Gemäuer und hofft, dass der Geist bis Donnerstag über sie kommen möge. Konfliktstoff ist reichlich vorhanden. Etwa der Streit um den Mindestlohn. Zwar heißt es im Koalitionsvertrag unmissverständlich, dass man zum 1. Januar 2015 einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro einführen werde. Die Lohnuntergrenze gilt laut Vertrag jedoch nicht für »ehrenamtliche Tätigkeiten« und wohl auch nicht für »Saisonarbeit«. Doch der CSU und einigen CDU-Granden reicht das nicht. Sie wollen weitere Ausnahmen: Studenten, Rentner und Praktikanten sollen auch zukünftig für weniger als 8,50 Euro arbeiten. Die SPD ist strikt dagegen.

Rückenwind für die Genossen kommt vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags. Auf Anfrage der Grünen Parlamentarierin Brigitte Pothmer hatten die Experten ein zwölfseitiges Papier erarbeitet, das dem »nd« nun vorliegt. Darin heißt es, dass Ausnahmen bei bestimmten Gruppen wie Rentnern oder Studenten eine »verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung darstellen« und einer besonderen Rechtfertigung bedürfen. Diese blieb die CSU bislang schuldig. Auch Praktikanten mit einer abgeschlossenen Ausbildung dürfen demnach nicht unter Mindestlohn beschäftigt werden. Da ist der Gleichheitssatz des Grundgesetzes davor. Nur ehrenamtlich Tätige, Auszubildende und Praktikanten könne man vom Mindestlohn ausschließen, so die Bundestagsjuristen.

Aber ein echter Bayer lässt sich von Experten nicht vorschreiben, was er zu tun oder zu lassen hat. »Das wäre ja abenteuerlich, zu glauben, ein Gesetzgeber könnte von einem Grundsatz keine Ausnahmen beschließen«, so CSU-Chef Horst Seehofer. Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) ging sogar noch weiter: »Der Wissenschaftliche Dienst ist nicht unfehlbar«, betonte er gegenüber der »Mitteldeutschen Zeitung« vom Dienstag. »Man muss zudem überlegen, ob es nicht auch regionale Unterschiede geben muss. 8,50 Euro sind in München etwas anderes als in Mecklenburg-Vorpommern«, so Fuchs weiter. Offenbar schwebt dem Christdemokraten ein nach Ost und West gestaffelter Mindestlohn vor.

Der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, machte gleich Nägel mit Köpfen und beauftragte den Wissenschaftlichen Dienst mit einem weiteren Gutachten zum Mindestlohn.

Der Streit um Lohnuntergrenzen ist nicht der einzige Knackpunkt, über den Union und SPD in Meseberg sprechen müssen. So ist die Union gegen die Pläne von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), bei der geplanten abschlagsfreien Rente ab 63 die Zeiten des Arbeitslosengeldes I unbefristet anzurechnen. Auch beim Bundeswehreinsatz in Afrika gibt es Differenzen. Während Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die geplante EU-Mission in der Zentralafrikanischen Republik mit Transportflugzeugen unterstützen will, möchte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) stattdessen das Engagement in Mali ausbauen.

Wenig umstritten ist hingegen die Vorlage von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), die Vergütung von Ökostrom ab 2015 von 17 auf 12 Cent pro Kilowattstunde zu senken. Die CDU signalisierte bereits Zustimmung.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal