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Schicksalsstunde für Bayerns SPD

Über Jahrzehnte wurde Münchens Stadtregierung sozialdemokratisch geführt - im März könnte sich die Lage ändern

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.
Die CSU will bei der Wahl Mitte März den Münchner OB-Sessel erobern, auch an Schwarz-Grün wird schon gedacht. Die LINKE möchte ihr Wahlergebnis von 2008 ausbauen.

Noch vier Wochen, dann finden in Bayern Kommunalwahlen statt - besondere Aufmerksamkeit liegt dabei auf der Landeshauptstadt, die seit vielen Jahren von der SPD geführt wird. Am Wahltag, dem 16. März, haben Münchener reichlich Auswahl: Treten doch neben den bereits in Parlamenten vertretenen Parteien vier neue Gruppierungen an, darunter die islamfeindliche »Freiheit« und die europakritische »Alternative für Deutschland«. Wie auch die Piratenpartei und eine bunte Gruppierung namens »HUT« haben diese Neulinge die erforderliche Zahl von 1000 Unterschriften zusammengebracht.

Derartige Probleme haben die etablierten Großparteien nicht. Doch für die SPD, die seit Jahren zusammen mit den Grünen die Bürgermeister und die Mehrheit im Stadtrat stellt, ist die Wahl eine Zäsur: Christian Ude, der langjährige Oberbürgermeister der Stadt mit hoher Wählerzustimmung - er kam 2008 auf 66,8 Prozent der Stimmen - tritt aus Altersgründen nicht mehr an. Stattdessen schickt die SPD den bisherigen Wirtschaftsreferenten Dieter Reiter in den Wahlkampf. Ob er ähnlich wie sein Vorgänger die Münchner für sich einnehmen kann, ist die große Frage bei den Sozialdemokraten. Reiter setzt unter dem Motto »Damit München München bleibt« auf »Verändern, um zu bewahren«. Ein zentrales Thema bleibt dabei der sozialdemokratische Klassiker Mieten und bezahlbares Wohnen. Letztendlich wird es für Reiter darum gehen, neben dem kommunalpolitischen Leuchtturm Ude ein eigenes Profil zu entwickeln und trotzdem von dessen Strahlkraft zu profitieren.

13,2 Milliarden
München. Mit Blick auf die anstehende Kommunalwahl haben CSU-Regierung und Opposition in Bayerns Landtag am Donnerstag über die Lage der Städte und Gemeinden gestritten. Die Regierung verwies auf den schrumpfenden Schuldenberg der Kommunen: 2008 habe deren Gesamtverschuldung noch bei 14,6 Milliarden Euro gelegen, Ende 2012 seien es nur noch 13,2 Milliarden Euro gewesen. SPD, Freie Wähler und Grüne erwiderten, der Verweis auf den Durchschnitt helfe nicht weiter. Es gebe weiterhin viele »schwerkranke« Kommunen mit existenziellen Schwierigkeiten. dpa/nd

 

Mit dabei in der ersten Liga der OB-Kandidaten sind Josef Schmid von der CSU und Sabine Nallinger von den Grünen. Die bisherigen Umfragen für Reiter und Schmid ergeben kein klares Bild, machen aber deutlich, dass die Thronbesteigung für den SPD-Kandidaten schwieriger wird als zu Udes Zeiten. Schmid, der mit einer Kampagne »Schmidsprechen« mit einem VW-Bus auf Wahlkampftour in München unterwegs ist, sendet auch schon mal Signale in Richtung der Grünen - warum soll, was in Hessen möglich ist, nicht auch in München wahr werden? Gebe es doch eine »besprechbare politische Grundlage« mit den Grünen, denen die CSU schon mehrfach Avancen gemacht hat. Schmid kann sich auch eine Rathauspolitik mit wechselnden Mehrheiten vorstellen.

Die Grünen freilich sind bisher als Juniorpartner der SPD seit fast 25 Jahren nicht schlecht gefahren. Gleichwohl ist offen, wie sich der derzeit stattfindende personelle Wechsel auf das Klima zwischen den beiden Parteien auswirken wird.

Die LINKE ist bisher mit drei Sitzen im Münchner Stadtrat vertreten und will das Wahlergebnis von 2008 ausbauen. Sie tritt mit einer offenen Liste von 80 Kandidaten an, die von Brigitte Wolf angeführt wird. Auf Platz 18 kandidiert Claus Schreer, der Organisator der Proteste gegen die Sicherheitskonferenz. Die Münchner Linkspartei tritt für ein »solidarisches München« ein: »Solidarität bedeutet für uns auch Eintreten für die, die anders leben wollen, als es dem herkömmlichen Familienbild entspricht und für diejenigen, die aufgrund unerträglicher Bedingungen in ihren Heimatländern zu uns kommen.« Solidarität heiße, »die Umwelt konsequent und nachhaltig zu schützen, für uns selbst und für die uns nachfolgenden Generationen. Und solidarisch treten wir allen Rassisten und (Neo-)Nazis entgegen.«

Ein Ziel der Demokraten in München ist es, bei dieser Kommunalwahl zu verhindern, dass die mit einem Sitz im Stadtrat vertretene rechte und NPD-nahe »Bürgerinitiative Ausländerstopp München« (BIA) erneut ins Rathaus einzieht. Ihre rassistischen Parolen muss sich die BIA aber diesmal mit der neu antretenden Partei »Die Freiheit« teilen, ihr Pressesprecher und OB-Kandidat Michael Stürzenberger war früher bei der CSU tätig. Die Diktion der Partei ist eindeutig: »Keine Einwanderung in die Sozialsysteme«.

Antreten wird diesmal auch die »Alternative für Deutschland« (AfD), freilich eine Gruppierung mit Grabenkämpfen: Gibt es doch schon einen »alternativen« Afd-Newsletter, der mit dem eigenen Kandidaten recht unsanft umspringt. »Ist der Despot André Wächter als Spitzenkandidat der AfD für die Kommunalwahl in München in 2014 noch tragbar?«, ist da zu lesen und die Antwortet lautet eher Nein: »Der kleine Sachbearbeiter der Bundesbank möchte also gerne die Nachfolge des 20 Jahre im Amt verbliebenen Oberbürgermeisters Münchens, Christian Ude, antreten. Darf es ein bisschen mehr sein?« Programmmäßig heißt es etwas unbestimmt: »Die AfD in München hat sich zum Ziel gesetzt, pragmatische, kostengünstige und unbürokratische Vorgehensweisen, die messbaren Nutzen für die Einwohner Münchens bringen, zu fördern und wo nicht vorhanden anzustoßen.«

Ein recht buntes Spektrum vertritt die »Wählergruppe HUT« um den Sozialarbeiter Wolfgang Zeilnhofer-Rath. »HUT« steht dabei für »humanistisch, unabhängig tolerant«. Zeilnhofer-Rath, der eine Blues-Bar betreibt und schon mal als Türsteher gearbeitet hat, versteht die Wählergruppe als Plattform für Bürgerinitiativen. Ein zentrales Thema ist Wohnen in München, ein Parteiprogramm gibt es nicht, dafür bittet man als Öffentlichkeitsarbeit zum Weißwurstfrühstück oder zum Tanztee.

Auch die Münchner Piraten steuern als Neuling mit 30 Kandidaten die Kommunalwahl an. Im Wahlprogramm wird unter anderem ein »Bürgerhaushalt« gefordert, also direkte Eingriffe der Bürger in die Vergabe der Gelder. Die bereits im Stadtrat vertretene ÖDP wiederum setzt an erster Stelle auf Energieeinsparung.

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