Fernsehsendung Sonnenschein

Andreas Koristka über die ruhmreichen deutschen Rodler und ihren günstigen Heimflug ins »Aktuelle Sportstudio«

Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremagazins »Eulenspiegel«
Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremagazins »Eulenspiegel«

Eine Nation befindet sich im Freudentaumel. Überall in Deutschland sieht man Menschen mit stolz geschwellter Brust. Sie sitzen in den öffentlichen Verkehrsmitteln, und während ihres Wegs ins Großraumbüro funkeln der Stolz des Triumphs und das Licht der Mobiltelefone in ihren Augen: Vier Goldmedaillen haben die deutschen Rodler bei Olympia gewonnen! Vier! Wir sind wieder wer, und das Ausland muss sich Hohn und Spott gefallen lassen. Niemand kann so gut rodeln wie unsere deutschen Jungs und Mädels - kein Franzose, erst recht kein Grieche und schon gar kein Neger!

Es ist ein unbezahlbarer Erfolg, wenigstens aber einer, für den man ziemlich viel blechen muss. Das ZDF hat das als erstes erkannt. Der Fernsehsender hat früher gelegentlich viel Geld für ziemlich verdrehten Quatsch ausgegeben. So zum Beispiel als man ein zerquetschtes Plastinat Gunther von Hagens kaufte, auf den Namen Claus Kleber taufte und es allerlei Lobhudeleien auf CDU/CSU und FDP vom Teleprompter ablesen ließ. Aber die diesmalige Investition hat sich gelohnt! Denn das »Aktuelle Sportstudio« hat die vier Erfolgsrodler von Sotschi - unsere vier Erfolgsrodler - nach Deutschland ein- und ausfliegen lassen. Das alles für einen 15-minütigen Auftritt in der Sendung.

Wahrscheinlich hat es sowieso jeder gesehen. Für die, die es wegen widriger Umstände verpasst haben - etwa weil sie Nachtschicht schieben mussten, ihre Achtlinge just zum Sendebeginn zur Welt kamen oder weil sie sich schon vorher aus Begeisterung über das ZDF-Programm die Augen mit einer Salzstange ausgestochen hatten - sei gesagt, dass es großartig war. Die vier Sportler, die jedes Kind mittlerweile beim Namen kennt, die drei Männer und die eine Frau da eben, sie gaben auch im Fernsehen eine Figur ab, die so vorteilhaft aussah wie ein Modellathlet im Presswurstanzug auf Kufen.

Es war den »Golden Four« zu gönnen, dass sie für die kurze Zeit eines Tages dem mediterranen Putin-Russland entfliehen konnten und den süßen Duft der Freiheit und der Gebührengelder einatmen durften. Vielleicht war es die Euphorie über die Volksmusik, die eingespielt wurde, als sie beim Minigolf zwei Teilnehmer für das traditionelle Torwandschießen ausspielen durften, oder es waren die wunderbar grenzdebilen Fragen des Gastgebers Jochen Breyer, die sie zu Hochform auflaufen liefen. »Sind Sie so was wie Geschwister?«, wollte der nämlich von der »Trainingsgruppe Sonnenschein« wissen. »Das sind wir doch alle irgendwie in der bayrischen Provinz«, konterten die Sportler darauf mit Bedacht nicht, sondern gaben stattdessen einen wohlbedachten belanglosen Scheiß von sich.

Böse Zungen behaupten nun, dass das Einfliegen der Olympioniken ein doch zu teures Vergnügen gewesen ist. Jedoch muss man bedenken, dass Hin- und Rückflug pro Person nur 400 Euro kosteten. Selbst, wenn man die Übernachtung, den Transport zum Flughafen, die Gage und vier leer gefressene Zimmerbars hinzurechnet, bleibt das ein Witz gemessen an den 500 000 Euro, die allein das neue Panorama-Studio in Sotschi verschlang. Und ein schlechter Witz ist es sogar gegenüber den 20 Millionen Euro Kosten von ARD und ZDF für die 740 Stunden dauernde kritische Liveübertragung (»Ja, das hat Spaß gemacht, denn das war ein verrücktes Rennen.«).

Es bleibt zu hoffen, dass künftig viel mehr Leute eingeflogen werden, um teure Berichterstattung aus dem Ausland zu vermeiden. Wie viel Geld könnte man sparen, wenn man den nächsten sterbenden Papst einfach ins Morgenmagazin einfliegen lässt, anstatt rund um die Uhr ein Reporterteam auf den Petersplatz zu stellen? Rom-Flüge jedenfalls bietet Easyjet derzeit für 39 Euro an! Oder wenn der nächste Bürgerkrieg eines arabischen Landes auf dem Oldenburger Marktplatz als Teil der Stadtwette von »Wetten, dass ..?« stattfindet? So etwas werden wir nie erleben? Top, die Wette gilt!

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal