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Moskau spricht von »Gruselgeschichte« der NATO

Russische Regierung kritisiert Satellitenaufnahmen als irreführend und veraltet / NATO-General spricht von »beachtlichen Streitkräfte von hoher Einsatzbereitschaft« an der Grenze zur Ukraine - Fotos seien aktuell

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die russische Regierung hat die von der NATO veröffentlichten Satellitenbilder über eine angebliche Truppenkonzentration an der Grenze zur Ukraine als veraltet und irreführend zurückgewiesen. Russlands stellvertretender Verteidigungsminister Anatoli Antonow sprach von einer »Gruselgeschichte«. Auf den Bildern seien »Einheiten des Südlichen Wehrbezirks zu sehen, die im Sommer 2013 geübt haben. Damals fanden auch im Raum der ukrainischen Grenze Manöver statt«, sagte ein Offizier des Generalstabs am Donnerstag in Moskau der Staatsagentur Ria Nowosti. Die NATO hatte am Donnerstag Aufnahmen präsentiert, mit denen die Behauptung unterstützt werde soll, Russland habe rund 35.000 bis 40.000 Soldaten im Grenzgebiet zur Ukraine jederzeit einsatzbereit zusammengezogen. »Dies sind beachtliche Streitkräfte von hoher Einsatzbereitschaft. Und sie sind in der Lage, sich sehr rasch zu bewegen«, sagte der britische Brigadegeneral Gary Deakin, Direktor des Zentrums für Krisenmanagement im militärischen Nato-Hauptquartier im belgischen Mons am Donnerstag. Die Aufnahmen sollen laut NATO vom 27. März 2014 stammen.

Nach NATO-Angaben sollen an mehr als 100 Standorten Artillerie, Panzerfahrzeuge, Hubschrauber, Spezialeinheiten, Kampfflugzeuge sowie die dazugehörenden Logistikeinheiten stationiert sein. Die meisten Einheiten befänden sich in provisorischen Unterkünften, Flugzeuge und Fahrzeuge stünden im Freien. »Das sind keine Truppen, die sich immer dort befinden, wo sie gerade sind«, sagte Brigadegeneral Deakin. Die Einheiten würden seit drei bis vier Wochen auch nicht - etwa zu Manöverzwecken - bewegt: »Es ist sehr ungewöhnlich, eine so große Truppe so lange einfach in der Landschaft stehen zu lassen.« Allerdings gebe es keine Klarheit über die Absichten des russischen Militärs, musste die NATO eingestehen.

Dennoch verstärkt das Militärbündnisses seinen Druck. Deakin sagte, er rechne in der kommenden Woche, auf jeden Fall aber innerhalb der kommenden 14 Tage, mit einer Entscheidung des NATO-Rates über eine verstärkte Militärpräsenz des Paktes in den östlichen Bündnisstaaten. Die Militärs haben auf Anweisung der NATO-Außenminister »sichtbare Maßnahmen« vorgeschlagen, die östlichen NATO-Staaten den Schutz durch das Bündnis demonstrieren sollen. Über Art und Inhalt der Maßnahmen äußerte sich Deakin nicht. Neben einer verstärkten Luftüberwachung gelten auch Manöver als wahrscheinlich. Eine ständige Stationierung substanzieller Streitkräfte sei aber nicht geplant. Der General nannte die Maßnahmen »angemessen und deeskalierend«.

Derweil hat US-Präsident Barack Obama seine westlichen Partner auf weitere Sanktionen im Zusammenhang mit der russischen Ukraine-Politik eingestimmt. Obama unterstrich nach Angaben des Weißen Hauses am Donnerstag in einem Telefongespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die USA, die Europäische Union und andere globale Partner müssten darauf vorbereitet sein, einer - von Obama unterstellten - weiteren russischen Eskalation mit zusätzlichen Sanktionen zu begegnen. Obama und Merkel sprachen vor allem über die besorgniserregende Lage in der Ostukraine. Sie forderten Moskau erneut auf, seine Truppen aus dem Grenzgebiet abzuziehen.

Bei dem Telefonat sei es am Donnerstagabend insbesondere um die Themen des bevorstehenden Treffens der Außenminister der USA, Russlands, der Ukraine sowie der EU-Außenbeauftragten gegangen, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Das Krisentreffen soll am kommenden Donnerstag, 17. April, in Genf stattfinden. Die Kanzlerin und der US-Präsident betonten die Wichtigkeit einer starken finanziellen Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für die Ukraine.

Derweil will die Regierung in Kiew am Freitag eine Räumung von besetzten staatlichen Gebäuden erreichen. Interimspräsident Alexander Turtschinow hat den prorussischen Demonstranten im Osten der früheren Sowjetrepublik Straffreiheit in Aussicht gestellt, sollten sie die seit Tagen besetzten Häuser räumen. Die Verhandlungen waren zuletzt aber sehr zäh verlaufen. Innenminister Arsen Awakow hatte den Besetzern mit Räumung gedroht. Die Demonstranten fordern ein lokales Referendum. Dabei könnte es auch um eine »Unabhängigkeit« ihrer Region gehen. Die Regierung in Kiew wirft Moskau vor, mit Hilfe von Provokateuren Unruhe zu schüren. Agenturen/nd

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