Noch kein Fest an der Copacabana

In Rio de Janeiro ist kurz vor dem Auftaktspiel der Brasilianer die WM-Stimmung nur sehr schwer zu finden

Viele Polizisten, keine Leinwand auf der Fanmeile, verstopfte Straßen. Die Copacabana trägt noch nicht das erwartete WM-Gewand.

In Brasilien ticken die Uhren langsam, nicht nur was den Stadionbau angeht. So verirrten sich am Montagabend nur wenige Fußballfans an Rio de Janeiros Prachtstrand Copacabana: Ein paar Kroaten in rot-weißem Karo schlappten in Badelatschen über das schwarz-weiße Pflaster der Avenida Atlantica, gefolgt von einem älteren Pärchen in grünen Mexiko-Trikots. Ein paar Argentinier sangen neben einem Volleyballnetz, neidisch beäugt von einem Trio Niederländern unter den Sonnenschirmen am Posto 5, dem fünften Rettungsschwimmerturm. Noch hält sich die WM-Stimmung am Hotspot der Millionenstadt Rio de Janeiro in Grenzen. Allein die Strandpolizisten der Guardia Civil haben ihre Präsenz deutlich erhöht. Alle 50 Meter sieht man einen lächelnden Beamten in beigefarbenen kurzen Hosen und weißen Söckchen, den Schlagstock stets griffbereit in der Hand.

Dort, wo an der Copacabana am Donnerstagnachmittag Hunderttausende zum Public Viewing erwartet werden, wenn Brasiliens Fußballer zum Auftaktspiel gegen Kroatien auflaufen, sah es kaum vielversprechender aus: Ein kahles Gerüst überragte mahnend die Stände am FIFA-Fan-Fest. Dass an diesem Alugestänge in drei Tagen eine Riesenleinwand hängen soll, erfordert viel Vorstellungskraft. Allein die Sponsoren scheinen gut gerüstet zu sein: Am Hotel Pestana flimmert längst der Riesenbildschirm eines Bierherstellers, das ganze Hochhaus ist in rotweißes Licht getaucht. Und neben dem Maracana-Stadion wartet das Coca-Cola-Haus auf erste Besucher. »Zur Eröffnung am Donnerstag werden zwei Etagen voller Überraschungen versprochen, dazu eine Dachterrasse mit Blick auf das bekannteste Stadion der Welt und ein großer Shop«, sagt eine der Marketing-Damen. Was es in dem wohl zu kaufen gibt? Brause mit und Brause ohne Zucker?

Brasiliens Sportminister Aldo Rebelo hielt gestern in Rio noch eine gutbesuchte Pressekonferenz ab, hinter den dicken Mauern des alten Fort Copacabana versicherte er erneut, dass natürlich alles fertig werde. Der Minister der Kommunistischen Partei berichtete, dass in Sao Paulo 300 Arbeiter bis zur letzten Stunde arbeiteten, damit das Eröffnungsspiel reibungslos über die Bühne gehen kann. »Ich sehe keinerlei Risiko, dass eins der zwölf WM-Stadien seine Funktion nicht erfüllt, wenn die Stunde gekommen ist.« Rebelo versprach, dass die noch erkältete Staatspräsidentin Dilma Rousseff beim Eröffnungsspiel auf der Tribüne sitzen werde, zu dem sich auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon angekündigt hat. Das Verkehrschaos, dass Sao Paulo wegen des Streiks der U-Bahn-Mitarbeiter zum Auftakt droht, könnte womöglich noch vermieden werden: Die Organisatoren haben den Streik ausgesetzt.

Dennoch herrscht vielerorts die höchste Sicherheitsstufe. 15 000 Soldaten wurden allein bei Rio de Janeiro zusammengezogen, um im Fall von Auseinandersetzungen einzugreifen. Die Marine patrouilliert vor der Küste, berichtet »O Globo«. Die Cariocas, die Einwohner Rio de Janeiros, müssen sich derweil mit zusätzlichen Einschränkungen im ohnehin chaotischen Verkehr abfinden. Am Montagmorgen wurde für die englische Mannschaft, die in Rio wohnt, eigens eine Hauptverkehrsachse gesperrt. Weil die Briten auch noch einen Spieler im Hotel vergessen hatten, musste der Bus wenden und die Straße blieb weitere fünf Minuten zu. Der Stau wuchs und wuchs, die Stimmung sank und sank. Der Popularität der »Copa« in Rio haben die Engländer damit nicht gedient.

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