Entsetzen über Tod jungen Arabers

Geheimdienst uns Polizei Israels zeigen sich von Aufwallung der Gewalt völlig überrascht

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach der Beerdigung der drei im Westjordanland getöteten Jugendlichen ist es in Jerusalem zu anti-arabischen Ausschreitungen gekommen. Ein junger Araber wurde tot aufgefunden.

Der junge Mann, der aus Schuafat zwischen Jerusalem und Ramallah stammt, wurde am Mittwochmorgen tot in einem Waldstück entdeckt. Nach Ansicht der Gerichtsmedizin wurde der arabische Jugendliche Opfer eines Gewaltverbrechens. Augenzeuge hatten ausgesagt, er sei außerhalb von Schuafat in ein Auto gezerrt worden.

Bei Politik und Sicherheitsdiensten sorgte die Nachricht von dem Leichenfund für Entsetzen: Viele befürchten, gewaltbereite Nationalisten könnten auf diese Weise Rache für die Ermordung der drei israelischen Jugendlichen verübt haben. Bereits am Tag zuvor hatte es im Stadtzentrum von Jerusalem gewaltsamen Ausschreitungen gegeben: Mehrere Dutzend rechte Israelis waren durch Westjerusalem in Richtung der palästinensischen Altstadt gezogen, und hatten auf dem Weg Araber angegriffen. Nach Angaben der Rettungsdienste wurden dabei mindestens 20 Menschen verletzt.

Die Polizei hatte Mühe, den Mob unter Kontrolle zu bringen. Die Beamten seien von den Ereignissen völlig überrascht worden; die Sicherheitsanalyse des Inlandsgeheimdienstes Schin Beth hatte für den Tag der Beerdigung eher Trauer um die drei am Vortag tot im Westjordanland aufgefundenen Jugendlichen vorhergesagt als Aggression und Gewalt. Dementsprechend schlecht vorbereitet war die Polizei.

Sie ist auch ratlos in Bezug auf den getöteten arabischen Jugendlichen: Offiziell heißt es, man ermittele in alle Richtungen - es könnte sich um ein Verbrechen mit kriminellem Hintergrund handeln, oder um einen sogenannten »Ehrenmord«. Nur: »Ehrenmorde« hat es in Ostjerusalem schon seit sehr langer Zeit nicht mehr gegeben. Zudem stellt sich die Frage, warum der Jugendliche in jenes Waldstück weit von seinem Lebensumfeld verbracht wurde.

Für die Menschen in Schuafat ist derweil der Fall klar: Der junge Mann sei Opfer von gewaltbereiten rechtsradikalen Israelis geworden, heißt es dort. Sofort nach dem Eintreffen der Todesnachricht gingen dort Hunderte auf die Straße; auch hier schlug die Stimmung schnell in Gewalt um: Autos und Straßenbahnhaltestellen wurden beschädigt; vereinzelt wurden Molotow-Cocktails geworfen. Die Polizei schlug, anders als am Vortag, mit voller Härte zurück; setzte Gummigeschosse und Tränengas ein.

Politiker aller Couleur sind nun um Schadensbegrenzung bemüht: Kaum ein Abgeordneter oder Minister, der nicht umgehend der Familie des Getöteten sein Mitgefühl ausdrückte und gelobte, auf eine schnelle Aufklärung des Verbrechens zu drängen.

Die Aufklärung der Tat gestaltet sich schwierig: Der Schin Beth, der eigentlich auch Israels Rechte im Auge behalten soll, hat die betreffende Abteilung im Laufe der vergangenen Jahre auf politischen Druck hin stark ausgedünnt. Bereits zuvor war es dem FBI-ähnlichen Geheimdienst schwer gefallen, Informationen aus Gruppen wie der Kach-Bewegung zu sammeln, deren Mitglied Baruch Goldstein 1994 am Grab der Patriarchen in Hebron 29 Palästinenser getötet hatte. Die als terroristische Vereinigung verbotene Gruppe tritt offen bei Fußballspielen und rechten Demonstrationen auf, gilt aber als verschlossen und misstrauisch gegenüber Außenstehenden.

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