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Nahostkonflikt: Bemühungen um Waffenruhe

Suche nach einem Ausweg aus der Eskalation ist in vollem Gange / 900 Raketen seit Wochenbeginn auf Israel abgefeuert / 1.500 Luftangriffe auf Gaza

  • Oliver Eberhardt, Tel Aviv
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist ein gespenstisches Bild: Entlang der Straßen, auf denen sich sonst laut Autos und Menschen den Platz streitig machen, sind die Türen geschlossen, kaum ein Mensch ist am Samstag in Gaza im Freien. In der Ferne sind, ohne Unterlass, die Explosionen der israelischen Luftangriffe zu hören. Die Armee warne die Menschen, bevor sie angreife, wird in diesen Tagen immer wieder berichtet, weil man bei der Armee gerne und oft davon redet: Man will als human gesehen werden; »die Angriffe richten sich nicht gegen die Menschen, sondern gegen die Hamas«, sagt ein Offizier der Luftwaffe, »wir möchten gerne, dass die Palästinenser das verstehen.«

Es ist eine Hoffnung, die vermutlich vergeblich ist. Auf beiden Seiten. Jenseits des Grenzzaunes bemühen sich die Israelis darum, ihre Normalität aufrecht zu erhalten, gehen zur Arbeit, ins Café, wenn sie es sich leisten können, was oft nicht der Fall ist, weil sich die finanzielle Situation der Leute seit den Sozialprotesten vor zwei Jahren um kaum einen Aguroth verbessert hat. Im Moment sieht man auf beiden Seiten nur das Feuer. Und hofft darauf, dass man es mit Feuer bekämpfen kann: Um die 900 Raketen wurden seit Wochenbeginn abgefeuert, und an die 1.500 Luftangriffe geflogen, wobei Luftwaffe, Verteidigungsministerium, und im Fall der Raketen, Heimatschutz und Polizei unterschiedliche Angaben machen. Am Samstag gingen erstmals auch Raketen in Bethlehem und Hebron nieder; Anwohner berichten von schweren Schäden und Verletzten. Zum Vergleich: Während des 38tägigen Libanon-Krieges 2006 wurden an die 4000 Raketen auf Israel abgefeuert; die Luftwaffe flog 11.897 Angriffe auf Ziele im Libanon.

Die Suche nach einem Ausweg ist nun in vollem Gange: Dabei bilden sich mittlerweile auch ungewöhnliche Allianzen. So präsentierten Ägypten und Katar, zwei Länder, deren Regierungen nach dem Umsturz in Kairo Monate lang eine Art kalten Krieg ausfochten, am Samstag einen gemeinsamen Vorschlag für einen Waffenstillstand. Eine Reaktion beider Seite stand am Samstag abend noch aus. Ägyptens Präsident Abdelfattah al-Sisi machte sich nun zu Nutze, was bislang Gegenstand des diplomatischen Konfliktes zwischen Kairo und Doha war: Katar sucht den Dialog zu islamischen Gruppierungen wie der Muslimbruderschaft und der Hamas; Ägyptens Regierung warf Katar deshalb vor, den Terrorismus zu fördern. Zudem ist das Politbüro der Hamas in Katar ansässig.

Die Zusammenarbeit stellt damit auch einen Politikwechsel in Kairo dar: Dort musste man, nachdem man am vergangenen Wochenende einen ergebnislosen Versuch unternommen hatte, die Eskalation abzuwenden, fest stellen, dass man durch das Vorgehen gegen die Hamas im Laufe der vergangenen Monate Einfluss verloren hat – genauso wie im Grunde alle anderen möglichen Vermittler. Außer Katar.

In Kairo begegnet man den Auseinandersetzungen, auch wenn man sich dazu in den vergangenen Tagen eher abwartend verhielt, mit Sorge: In ägyptischen Medien wird immer wieder die Befürchtung geäußert, dass sich der Konflikt auf die Sinai-Halbinsel ausweiten könnte. Das Wüstengebiet ist trotz Monate langer Militäreinsätze gegen militante Gruppierungen immer noch nicht unter Kontrolle; es besteht die Möglichkeit, dass versucht wird, Israel auch von ägyptischem Gebiet aus anzugreifen.

Die Außenminister Deutschlands, Großbritanniens, der Vereinigten Staaten und Frankreichs werden am Sonntag am Rande der Iran-Gespräche in Wien über den Gaza-Konflikt sprechen.

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