Madonna verneigt sich vor der Mafia

Skandal im italienischen Kalabrien

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
In Kalabrien wurde eine Madonna-Statue bei einer Prozession vor dem Haus eines Mafiabosses gestoppt, um ihm die Ehre zu erweisen. Nun hat der Bischof vorerst alle Prozessionen in Kalabrien verboten.

In Italien wird (wieder einmal) heftig über die Beziehung zwischen Kirche und Mafia diskutiert. Auslöser sind zwei widersprüchliche Ereignisse: Zuerst exkommunizierte Papst Franziskus bei einer Rede in Kalabrien die »Verehrer des Bösen«, also die Mafiosi, und nur wenige Tage später »verneigte« sich bei einer Prozession die Statue der Madonna vor dem Haus eines alten Bosses der ’Ndrangheta als Zeichen der Ehrerbietung.

Wie in bekannten Filmszenen über die Mafia wurde die Statue der Madonna von Bürgern durch die Gemeinde Oppido Mamertina an der italienischen Stiefelspitze getragen. Bei solchen Prozessionen nehmen meist alle wichtigen lokalen Persönlichkeiten teil. Vor irgendeinem Haus bleibt die Prozession plötzlich für ein paar Sekunden stehen und es wird applaudiert.

Der Mafiaboss, dem diese »heilige« Ehrerbietung galt, ist Peppe Mazzagatti. Der 82-Jährige sitzt allein aus aus Alters- und Gesundheitsgründen seine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes und Zugehörigkeit zur Mafia mittlerweile als Hausarrest ab. Er gehört zu den Urgesteinen der örtlichen ’Ndrangheta und ist in kaum mehr zu zählende Verbrechen in der Region verwickelt.

Nur die örtliche Polizeitruppe verlässt daraufhin die Prozession, um die Episode mit der Kamera festzuhalten und die Schuldigen so später leichter ausmachen zu können. Bürgermeister und Priester merken offenbar überhaupt nichts, zeigen sich später über die Maßen erstaunt, verstehen aber zugleich die große Aufregung nicht.

Solche Verknüpfungen zwischen katholischer Kirche und organisierter Kriminalität (und der Lokalpolitik) sind nicht neu, gehört doch die angeblich tiefe Religiosität der Mafiosi zu den wichtigsten Propagandainstrumenten, mit denen man die süditalienische Bevölkerung jahrzehntelang unterdrückte. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass immer wieder mutige Priester ermordet wurden, die sich der Allmacht der Mafia widersetzten. Auch dass schon Papst Johannes Paul II. die Mafiamitglieder dazu aufforderte, ihre Schandtaten zu bereuen, brachte nicht viel. Immer wieder wurden Priester ausgemacht, die auch mit flüchtigen Bossen in Verbindung stehen, und unter dem Vorwand, sich um ihr Seelenheil zu kümmern, auch als Verbindungsmänner der Mafiosi fungierten. In vielen Städten und Dörfern werden die Prozessionen, die in Süditalien noch einen hohen sozialen Wert haben, von den Verbrecherorganisationen finanziert und organisiert. Es gibt keinen bekannten Fall, bei dem einem Mafiaboss nach dem Tod ein religiöses Begräbnis verweigert wurde, was bei Selbstmördern immer noch vorkommt. Nur regt sich in den meisten Fällen niemand auf. Berichte darüber kommen fast nie über die lokale Presse hinaus.

Dass der Fall in Oppido Mamertina jetzt Schlagzeilen machte, liegt wahrscheinlich auch daran, dass der argentinische Papst nur wenige Tage zuvor ebenfalls in Kalabrien extrem harte Worte gegen die Mafia gefunden hatte und diese am vergangenen Sonntag noch einmal wiederholte: Die Mafiosi gehören nicht zur Kirchengemeinschaft! Er räumte auch ein, dass es nicht wenige Priester gibt, die dem Phänomen der Organisierten Kriminalität nicht genügend Aufmerksamkeit widmen und versprach, alles in seiner Macht stehende zu tun, um ein neues Bewusstsein zu schaffen. Der Bischof, zu dem die Gemeinde Oppido gehört, will jedenfalls keine Risiken mehr eingehen. Bis auf Weiteres hat er alle Prozessionen verboten.

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