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Zu spät für Dreck

Freitags Woche

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Keiner - also gut: keiner ohne Vertrag mit RTL - hat dem Sonntag vor acht Tagen eine Chance gegeben. Vor der ersten Privatübertragung eines deutschen EM-Spiels ahnte jeder: Das wird schlimm. Und siehe: Es wurde schlimmer. Nach Aussagen aller, die die vollen sieben Stunden erduldet haben, war es: zu bunt, laut, banal, distanzlos, werbesatt, sinnlos, blöd, ergo: zu RTL. Jens Lehmann und Florian König waren Moderationskarikaturen. Und Teile des Interviews mit Jogi Löw liefen zeitversetzt. Es ist nur noch traurig.

Fast so sehr, wie der Tod »Blacky« Fuchsbergers. Zu seiner Glanzzeit hatte sein Medium schließlich noch Relevanz und Größe, jetzt wird eine Show, die seinerzeit noch Bedeutung hatte - »Verstehen Sie Spaß?« - auch diesen Samstag von der kommerzgeschulten Flachzange Guido Cantz moderiert. Da könnte man glatt vergessen, dass öffentlich-rechtlich immer noch gutes Fernsehen läuft. »Abschied von den Fröschen« im ZDF zum Beispiel. Das bewegende Porträt des gefeierten Berliner Filmemachers Ulrich Schamoni, der sein halbes Leben bis zum Krebstod 1998 gefilmt hat, ist exquisite Unterhaltung. Leider läuft sie Dienstagfrüh um 1 Uhr. Das hat die Doku von Schamonis Tochter nicht verdient. Im Gegensatz zum royalen Mumpitz »Prinz Harry - der wilde Windsor«. Doch für Blaublutbäder reserviert das Zweite liebend gern die Dienstagsprimetime.

Anspruchsvoller werden darf es wieder nach Mitternacht, wenn an gleicher Stelle das aufwühlende Drama »The Help« über eine Reporterin läuft, die 1963 den rassistischen Alltag Mississippis in einem Buch beschreiben will - und auf rüden Widerstand stößt. Das dürften also ein paar weniger sehen als tags drauf den Auftakt der Bayern in die Champions League 2014/15, wofür das ZDF Millionen verpulvert, die Sat1 auch nicht schlechter verpulvert hätte.

Was man mit wenig Geld auf die Beine stellen kann, beweist dagegen mal wieder Fatih Akin. In stillen Bildern zeigt sein Film »Müll im Garten Eden« den Kampf des türkischen Dorfes seiner Großeltern gegen eine riesige Deponie. Montag um 23.15 Uhr zeigt die ARD das Ergebnis der sechsjährigen Recherche. Ein anderer Müllexperte, wenngleich als Verursacher, ist der indische Milliardär Mittal. Dienstag (20.15 Uhr) zeigt Arte »Die Schattenseiten des Stahlmagnaten« und damit, dass man Kapitalismus ruhig kritisieren darf. Das muss jetzt nur noch RTL erfahren, wo drei Stunden später mal eine sachliche Reportage läuft. Leider kümmert sich »Baust du noch?« kaum um all die Proteste gegen das erste innerstädtische Ikea in Hamburg, so sehr staunt man darüber, was da für ein Riesenklotz im Wohngebiet landet. RTL lernt’s eben nie.

Im Gegensatz zur ARD. Deren Schnulzenfabrik Degeto hat sich so reformiert, dass der Freitagabend nicht mehr nur seifig ist, sondern manchmal echt gelungen. Der »Seitensprung«, den Claudia Michelsen als Mutter und Managerin ihrem untreuen Mann verzeiht, sorgt somit für ein Patchworkkonzept, das endlich mal sehenswert erzählt wird.

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