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Widerstand gegen Pläne für Ukraine-Mission der Bundeswehr

Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckardt: Ablenkung von Desaster / Rüstungsbericht belegt gravierende Mängel bei Ausstattung der Streitkräfte

  • Lesedauer: 4 Min.
Ungeachtet aller technischen Pannen will die Verteidigungsministerin bewaffnete Bundeswehr-Fallschirmjäger in die Ostukraine schicken. Nach Bestandsaufnahme im Rüstungssektor kündigt sie Mängelbeseitigung an.

Berlin. Die Absicht von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Bundeswehr in weitere riskante Auslandsmissionen zu entsenden, stößt auf Kritik in der SPD. »Ich habe den Eindruck, hier ist die Ministerin vorgeprescht, ohne internationale Abstimmung und ohne die rechtlichen Voraussetzungen zu prüfen«, sagte der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold der »Saarbrücker Zeitung« (Montag). »Mehr Verantwortung übernimmt man jedenfalls nicht dadurch, dass man bei Themen, die noch gar nicht spruchreif sind, das Parlament und die Öffentlichkeit irritiert.«

Von der Leyen hatte die Obleute des Bundestags am Freitag über die geplante Ausweitung des internationalen Engagements der Bundeswehr informiert. Die Bundesregierung prüft eine Ausbildungsmission im Irak. Außerdem sollen deutsche Aufklärungsdrohnen unter dem Schutz von bewaffenten Fallschirmjäger der Bundeswehr die Waffenruhe in der Ostukraine überwachen. Die endgültige Entscheidung steht in beiden Fällen aber noch aus.

Vor weiteren Auslandseinsätzen warnte der Bundeswehr Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus. »Ich weiß nicht, wie bestimmte Einsätze gestemmt werden sollten, ohne dass wir noch weitere Überlastungen hinnehmen müssten«, sagte Königshaus den »Ruhr Nachrichten«. Es bestehe die Gefahr, dass die Bundeswehr in eine Abwärtsspirale hineingerate. Die Bundeswehr könne in vielen Bereichen nicht mehr ausbilden, »weil alle Kraft, immer mehr Gerät und immer mehr Personal« für die Einsätze benötigt werden.

Scharfe Kritik äußerte auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. »Im Moment habe ich den Eindruck, dass Ursula von der Leyen zunächst mal von dem Desaster ablenken will, was sie gerade zu bewältigen hat«, sagte sie am Montag im Deutschlandfunk mit Blick auf die zahlreichen Problemne und Pannen im Rüstungsbereich. Es sei derzeit unklar, so die Politikerin, ob es für die Bundeswehr überhaupt technisch möglich sei, weitere Einsätze zu leisten.

Einen Widerspruch zwischen den Ausrüstungsmängeln und neuen Aufgaben im Ausland sieht die Ministerin nicht. Die Bundeswehr habe erhebliche Probleme, die bearbeitet werden müssten, sei aber auch gefordert, Verantwortung zu übernehmen. »Und genau diese Balance hinzukriegen, das ist jetzt meine Aufgabe«, sagte sie am Sonntagabend im ZDF. Unter anderem waren technische Mängel bei den betagten Transall-Tranportflugzeugen und bei den Airbus A310-Maschinen, die den Truppenabzug aus Afghanistan sicherstellen sollen, aufgetreten. Wegen mangelhafter Verarbeitungsqualität musste die Einsatzdauer der Eurofighter-Kampfjets halbiert werden, zudem ist erst ein Teil der gesamten Flotte komplett einsatzfähig. Die Marine-Kampfhubschrauber müssen wegen diverser Defekte am Boden bleiben, Probleme bereiten die neuen Panzerfahrzeuge des Heeres, und die seit fünf Jahren wartet die Truppe ungedultig wie vergeblich auf die immer teuerer werdenden neuen Ttransportflugzeuge Airbus A400M.

Ein Expertengutachten, das ihr an Montagvormittag in Berlin vorgelegt wird, listet 140 Probleme und Risiken bei den größten Rüstungsprojekten der Bundeswehr auf. Die Ministerin hatte die Studie der Unternehmensberatung KPMG, der Ingenieurgesellschaft P3 und der Kanzlei Taylor Wessing selbst in Auftrag gegeben, weil sie mit der internen Kontrolle unzufrieden war. In den vergangenen beiden Wochen waren nach und nach auch massive Mängel und Pannen bei der bestehenden Ausrüstung der Bundeswehr bekanntgeworden.

Die Grünen nannten die Ergebnisse des Gutachtens »alarmierend«. »Um die zahlreichen Rüstungsdesaster zu beenden, muss Ministerin von der Leyen jetzt radikale Reformen in Angriff nehmen«, forderte die Sprecherin für Sicherheitspolitik, Agnieszka Brugger.

Die Experten warnen das Wehrressort auch vor einer schnellen Entscheidung für das Luftverteidigungssystem Meads als Nachfolgelösung für die altgedienten »Patriot«-Flugabwehrraketen, wie die »Süddeutsche Zeitung« (Montag) berichtete. Es seien »zu viele Fragen ungeklärt«. Meads wurde von den USA, Deutschland und Italien für mehr als 4 Milliarden Euro entwickelt. 2011 entschieden sich die Länder aber gegen eine Beschaffung. Wie es weitergeht, ist unklar.

Das Gutachten empfiehlt auch, die Skandal-Drohne »Euro Hawk«, deren Entwicklung 2013 gestoppt worden war, zu Testzwecken wiederzubeleben. Der SPD-Politiker Arnold ist dafür. »Das wäre die beste Lösung«, sagte er der »Rheinischen Post« (Montag). »Wir müssen das Ding zum Erfolg führen.« Agenturen/nd

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