Stiller Schmerz, lautes Lob

Alba Berlin hat beim Aus in der Euroleague gegen Titelverteidiger Tel Aviv viel gelernt

Ein paar Fehler zu viel von Berlins Basketballern und die große Erfahrung des Gegners Maccabi Tel Aviv führten zur 64:73-Niederlage. Nun will Alba die nationalen Titel angreifen - schon am Wochenende.

Sasa Obradovic war nach bilanzieren zumute. Der Trainer von Alba Berlin wusste am späten Donnerstagabend zwar sehr wohl, dass die Saison seiner Basketballer längst noch nicht zu Ende ist, sie eigentlich jetzt erst wirklich beginnt, doch die 64:73-Heimniederlage gegen Maccabi Tel Aviv schmerzte ihn ebenso sehr wie seine Spieler. Nun war ihm also danach, den Schmerz mit Lob abzuschwächen. Mit verdientem Lob. »Meine Spieler haben Deutschland in Europa bestmöglich repräsentiert. Sie haben vom ersten bis zum letzten Spiel großen Basketball gezeigt, auch wenn wir dieses Spiel verloren haben«, sagte der Serbe, kurz nachdem er die Spielerkabine verlassen hatte.

Dort war es stiller als sonst. Kaum ein Wort wurde gesprochen, weder mit Journalisten, noch miteinander. »Die Jungs sind sehr enttäuscht. Jeder hatte große Erwartungen. Jeder wusste, wie wichtig das Spiel ist«, berichtete Obradovic. Nun aber war der Traum, als erste deutsche Mannschaft unter die besten Acht der Euroleague einzuziehen, vom Titelverteidiger zerstört worden. Von einer Mannschaft, die die Berliner vor der Saison wohl noch als unterklassigen Gegner angesehen hatte. Doch nun lagen sich Maccabis Trainer in den Armen, als hätten sie den wichtigsten Klubwettbewerb Europas schon gewonnen.

»Selbst wenn es lange knapp war, müssen wir realistisch sein: Die größere Erfahrung hat sich durchgesetzt«, sagte Obradovic. »Wie sich Maccabi in engen Situationen verhält, war eine tolle Schule für uns, auch für mich als Trainer.« Er habe schon vor der Partie bemerkt, dass seine Spieler etwas zu angespannt waren. »Vor so einem Spiel musst du aber ruhiger sein. Genau da sah man den Erfahrungsvorsprung Maccabis.« Dem Trainer ging es dabei nicht um ein paar verfehlte Wurfversuche, sondern um kleine Dinge: kluge Fouls, richtige und falsche Pässe, das Zulassen offener Würfe. Aspekte, bei denen sich Alba in dieser Spielzeit schon stark gesteigert hat, doch für Maccabi reichte es noch nicht.

Für Albas Spielmacher Cliff Hammonds war es die schmerzhafteste Niederlage der Saison. »Na klar, es ging darum, nicht auszuscheiden. Wir haben alles versucht, alles getan, was wir konnten. Aber am Ende haben wir ein paar Fehler zu viel gemacht. Die haben uns den Sieg gekostet«, so der US-Amerikaner. Alba hatte zuvor mit Barcelona, Athen und Tel Aviv selbst im Hinspiel schon drei große europäische Teams besiegen können, doch da wurden die Berliner noch unterschätzt. Nun ging es für beide Teams um alles. »Maccabi wollte es genauso sehr wie wir. Und auch wenn zwei Mannschaften wirklich alles geben, um zu gewinnen, muss eine am Ende doch verlieren. Das waren leider wir heute. So ist der Sport«, sagte der geknickte Hammonds.

Maccabis Trainer Guy Goodes wusste mittlerweile, dass sich Alba von keinem noch so hohen Rückstand entmutigen lässt. »Man kann nicht mit mehr Aggressivität spielen als Alba, aber wir waren dieses Mal zumindest genau so aggressiv wie sie«, freute sich Goodes darüber, dass die Berliner nicht erneut auf die leichte Schulter genommen wurden. Offenbar hatten die Israelis die Vorgaben ihres Trainers besser umsetzen können als die Berliner. Goodes verriet später, dass er Alba nicht mehr als 70 Punkte, eine Feldwurfquote von unter 50 Prozent und weniger als zehn Offensivrebounds lassen wollte. Alle statistischen Vorgaben wurden von seinen Männern erfüllt. Und wenn sie dann noch einen Devin Smith in den Reihen haben, der mal eben 28 Punkte erzielen kann, während bei Alba die drei besten Schützen gerade mal auf je zehn Zähler kamen, wird es ungleich leichter zu gewinnen.

Smith hatte wenige Tage vor dem Spiel eine Vertragsverlängerung um drei Jahre unterzeichnet. Ein ungewöhnlich langer Zeitraum für arbeitsrechtlich kaum geschützte US-Amerikaner in Europa, vor allem, wenn man bedenkt, dass Smith am Sonntag schon seinen 32. Geburtstag feiert. »Als er das Abschlusstraining danach verletzt abbrach, dachte ich schon an ein schlechtes Omen, dass unser Management zu früh unterschrieben hatte. Aber dann macht er so ein höllisch gutes Spiel. Hat uns also doch Glück gebracht«, zeigte sich Goodes erleichtert. »Devin Smith kann man nicht verteidigen wie jeden anderen. Da muss man mal taktische Fouls nutzen«, haderte Kollege Obradovic nach der Partie. »Wir haben gewusst, dass er der Schlüssel für Maccabi ist, und doch konnten wir ihn nicht stoppen. Daraus werden wir lernen, jedes Jahr ein bisschen mehr.«

Auch Albas Management bekam anschließend noch Lob vom eigenen Trainer dafür, die bestmögliche Spielertruppe bei weitaus knapperen zur Verfügung stehenden Mitteln zusammengesammelt zu haben. »Die Jungs spielen gut, spielen zusammen, kämpfen um jeden Ball. Das ist zu Albas Markenzeichen in dieser Saison geworden und hat uns sogar mit den großen Europas mithalten lassen«, resümierte Sasa Obradovic, der danach früher als erhofft gezwungen war, wieder nach vorn zu blicken.

»Es ist nicht einfach, diese Niederlage wegzustecken, aber das nächste Spiel kommt schon sehr schnell«, sprach der Trainer das Pokalhalbfinale beim Final Four an diesem Samstag in Oldenburg an. Und dann geht es gleich gegen einen Meisterschaftsanwärter. »Ich habe mich mit Bamberg noch überhaupt nicht beschäftigt«, gab Obradovic zu. Maccabi war ihm offensichtlich wichtiger. Es sei nun zwar unmöglich, sich in 36 Stunden gut auf einen so starken Gegner vorzubereiten. »Trotzdem ist aber ein Sieg nicht unmöglich, denn wir geben nie auf. Auch das ist eine Alba-Marke geworden.« Die nötige Motivation zu finden, werde allerdings hart nach so einer Niederlage. »Da kann ich jeden Spieler verstehen.«

Kapitän Alex King versuchte zumindest die Marschrichtung vorzugeben: »Jetzt geht es nicht darum, zu Kräften zu kommen, sondern mental stark zu sein. Dieses letzte Spiel müssen wir so schnell wie möglich vergessen«, sagte der Flügelspieler, ohne auch nur im Ansatz überzeugend zu wirken, dass er das schaffen könne. Den gleichen Eindruck machte auch sein Trainer, als er versuchte, die Bilanz des Vergangenen mit dem Ausblick auf die Zukunft zu verbinden: »Es war eine tolle Euroleague-Saison, jetzt attackieren wir die anderen Titel.«

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