Gentechnik auch auf dem Teller

EU-Kommission legt Vorschlag für GVO-Importe von Lebens- und Futtermitteln vor

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.
Nachdem Anbauverbote für Gentechnikpflanzen von Einzelstaaten erlassen werden können, soll dieses Vorgehen bald auch für Lebens- und Futtermittel gelten. So will es die EU-Kommission.

Der Vorschlag sei eine »Farce«, kritisiert Greenpeace. Andere Kritiker sprechen von »Wortbruch« durch den EU-Kommissionspräsidenten. Jean-Claude Juncker hat am Mittwoch in Brüssel seinen Reformvorschlag zur Zulassung gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel vorgestellt. Diese sollen demnach von den EU-Staaten im Alleingang verboten werden können - nationale Verbote hatte die EU kürzlich erst für den Anbau beschlossen. Mit seinem Vorschlag weicht Juncker von der bisherigen Linie ab, dass Lebensmittelzulassungen europaweit gelten. Er betrifft auch Futtermittel für Tiere.

Es geht um importierte Lebens- und Futtermittel, die gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthalten. Laut EU-Kommission sind derzeit 58 solcher Produkte in der EU zugelassen. Darunter sind Mais als Zutat für Lebensmittel und Soja zur Tierfütterung. Zudem liefern mit GVO-Futter aufgezogene Tiere Lebensmittel wie Eier, Milch und Fleisch. Der Gesetzesvorschlag will eine neue Option schaffen. »Neu ist, dass die Mitgliedstaaten beschließen können, die Verwendung eines GVO in ihrer Lebensmittelkette zu untersagen, auch wenn dieser für die Verwendung als Lebens- oder Futtermittel in der EU zugelassen ist«, erklärte die EU-Kommission.

Momentan ist die Zulassung europaweit geregelt, erste und wichtigste Prüfinstanz ist die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Auf ihr Votum hin entwirft die EU-Kommission eine Empfehlung zur Zulassung oder Ablehnung. Anschließend sollen die EU-Staaten mit sogenannter qualifizierter Mehrheit entscheiden. Gibt es hier keine Mehrheit, geht die Entscheidung wieder an die Kommission. Die wiederum verlässt sich auf die EFSA, der immer wieder eine besonders gentechnikfreundliche Haltung vorgeworfen wird. So habe die Behörde erst kürzlich eine Risikobewertung des Genmais 1507 überarbeiten müssen, heißt es in einem Positionspapier der Grünen. Laut einer Studie der Universität Bremen fliegen nämlich die Pollen des Maises wesentlich weiter als von der EFSA angenommen. Die war nur von 30 Metern ausgegangen, die Bremer Wissenschaftler ermittelten mehrere hundert Meter bis hin zu mehreren Kilometern Pollenflug - für die Frage der Kontaminierung ein entscheidender Unterschied.

Laut Kommissionsvorschlag darf die Begründung für ein Verbot von Futter- oder Lebensmitteln ausdrücklich nicht »im Widerspruch zu der von der EFSA durchgeführten Bewertung der Risiken stehen«. Damit stärke die EU-Kommission die Machtposition der EFSA als unanfechtbare Instanz der Risikobewertung weiter», kritisierte der Grünen-EU-Abgeordnete Martin Häusling den Entwurf. Ohne Neuaufstellung der Behörde habe eine Neuregelung des Zulassungsverfahrens den Namen «Reform» nicht verdient.

Auch Greenpeace nennt den Vorschlag eine «Farce», weil damit «das bestehende undemokratische System unangetastet bleibt», so Franziska Achterberg, Lebensmittelexpertin bei der Umweltschutzorganisation. «Er würde es der Kommission erlauben, die große Gegnerschaft zu GVO-Pflanzen zu ignorieren.»

Sollte der Vorschlag das EU-Gesetzgebungsverfahren erfolgreich durchlaufen, befürchtet der grüne Bundestagesabgeordnete Harald Ebner, dass Agrarminister Christian Schmidt (CSU) im Anschluss wie bei den Anbauverboten versuchen werde, «auch diese Frage an die Bundesländer abzuschieben. Das wäre dann vollends absurd: Gensoja-Futter in Sachsen-Anhalt, aber nicht in Bayern? Das lässt sich weder umsetzen noch kontrollieren.»

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal