Dicke Backen, doch nicht mal warme Luft

NSA-BND-Skandal: Erst übernimmt die SPD Oppositionsforderungen, dann wird die Empörung wieder abgeblasen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Hinweise des BND hätten für die Auffindung des Terrorfürsten Bin Laden in Pakistan »grundsätzliche Bedeutung« gehabt. Welch wundersame Fügung, dass man das inmitten einer Staatsaffäre erfährt.

Wüsste man, ob Al-Qaida-Führer Osama bin Laden je in einem Sarg gelegen hat - dann wäre der BND sein Sargnagel gewesen. So ähnlich liest man es in der jüngsten »Bild am Sonntag«. Da ist es egal, ob das Versteck von Osama bin Laden von einem Doppelagenten an den BND verraten wurde oder ob man durch fleißiges Abhören in der BND-Station Bad Aibling auf wichtige Informationen stieß.

Seltsam an der »Hurra-Meldung« ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung. Die USA scheinen sogar bereit, ein Gutteil ihres Ruhms zu teilen. Bislang war immer nur die Rede von brillanter CIA-Aufklärung, die dazu führte, den Al-Qaida-Fürsten am 2. Mai 2011 im pakistanischen Abbottabad durch US-Navy-Seals umbringen zu lassen. Und nun gab der BND den entscheidenden Tipp? Will da jemand hässliche Flecken der widerrechtlichen BND-NSA-Kooperation übertünchen?

Das klappt nicht, der Skandal erschüttert längst das politische System in Deutschland. Längst empört sich nicht nur die Opposition über die Weigerung der Bundesregierung, »klar Schiff« zu machen. SPD-Spitzenpolitiker übernehmen originäre Forderungen der Opposition, kopieren markige Sprüche. Stand jüngst noch Linksfraktionschef Gregor Gysi allein, wenn er »Kriecherei gegenüber den USA« geißelte, so meint jetzt SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi: »Wir dürfen uns nicht zum Vasallen der USA machen und die Rechte des Bundestags ignorieren.«

Zu diesen Rechten gehört, dass die Regierung endlich die Suchbegriffe an den Untersuchungsausschuss weiterreicht, mit denen NSA und BND rechtswidrig auch Deutsche sowie deren Partner und Verbündete ausgeforscht haben. Das war ursprünglich eine Forderung, die LINKE- und Grünen-Abgeordnete erhoben hatten. So wie die sagt Fahimi jetzt: Um die Listen herauszugeben, muss das Kanzleramt nicht unterwürfig in Washington um Erlaubnis betteln. »Notfalls auch gegen den Willen der USA«, ginge das, sagt die SPD-Spitzenfrau.

Dass Generalsekretäre immer ein wenig angriffslustiger als ihre Chefs auftreten, ist bekannt. Doch zuvor hatte auch der SPD-Vorsitzende und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel - so als wäre er nicht Regierungsvize - verlangt, dass die Regierung »mehr Rückgrat« zeigen solle. Gabriel droht im Falle einer weiteren Herausgabeweigerung mit einer »Staatsaffäre«. Der Begriff kann knapp unterhalb des Koalitionsbruchs verortet werden.

Christian Flisek, Obmann der SPD im einschlägigen Untersuchungsausschuss, meinte am Montag, es könne »nicht sein, dass es innerhalb des Nachrichtendienstes kontrollfreie Bereiche« gebe. Justizminister Heiko Maas verlangte, dass die »gesamte Tätigkeit des BND einer demokratischen Kontrolle« zu unterwerfen sei. Hat er vergessen, dass die SPD allzu viel zur permanenten Aufrüstung der unkontrollierten Dienste beigetragen hat? Zu Recht fragt der einstige Bundesdatenschützer Peter Schaar, warum Maas geheimen Diensten die Vorratsdatenspeicherung gestattet? Sgar Altkanzler Gerhard Schröder lässt sich via »Bild« für die plötzliche Empörungsfront rekrutieren. Politische Konsequenzen müssten gezogen werden. Das hätte Schröder vor Jahren tun können, hätte er nur seinen damaligen Kanzleramtschef, den heutigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), gestoppt. Er hat - nach den Anschlägen vom 11. September 2001 - die unheilige Zusammenarbeit von BND und NSA zur Blüte geführt.

»Dicke Backen machen«, reiche nicht, kommentiert Linksfraktionsvize Jan Korte. Man müsse auch pfeifen, also »die Geheimdienstaffäre zur Koalitionsfrage machen«. Eine solche Reaktion der SPD bleibt aus. Eine rot-rot-grüne Verbrüderung mit anschließendem Regierungswechsel geht deren Strategen offenbar zu weit.

Darauf vertraut die Union, die trotzdem Mäßigung von der SPD erwartet. Um das zu erreichen, fährt sie das schwere Geschütz »Antiamerikanismus« auf. CSU-Chef Horst Seehofer vermisst zudem die »Staatsverantwortung, die eine Regierungspartei habe«. Man bekomme den Eindruck, »dass die SPD dringend ein Thema sucht, um aus ihren schlechten Umfragewerten zu kommen«, mosert CDU-Vize Julia Klöckner wenig originell. Armin Laschet, gleichfalls CDU-Vize, warnte: In einer Phase, in der wir dem internationalen Terrorismus so ausgesetzt sind, sei es »unverantwortlich« und »leichtfertig« die Beziehungen zu den USA und die Geheimdienstkooperation zu gefährden. Fraktionschef Volker Kauder (CDU) wies zum x-ten Mal die »schrillen Töne aus der SPD-Parteizentrale« zurück und meine, eine »Belastung in der Koalition« zu erkennen.

Am Donnerstag tagt der NSA-BND-Untersuchungsausschuss. Als Zeugen geladen sind zwei BND-Leute - einer heißt Gerhard Schindler. Er ist BND-Präsident - und nebenbei ein zwischen Union und SPD verhandelbares Bauernopfer. Doch am Montagabend schien der Aufstand der SPD bereits wieder abgeblasen. Es reiche, wenn ausgewählte Vertreter des Untersuchungsausschusses und des Kontrollgremiums Einblick in die sogenannte Selektoren-Liste der NSA erhielten, sagte Fahimi. Denn: »Es geht uns in keinster Weise darum, ein Zerwürfnis mit den USA zu provozieren.«

Diesen Vorschlag konnte man bereits vor zwei Wochen intern in Kreisen der CDU-Fraktion vernehmen. Es scheint also: Nicht mal zum Rückzug ist die SPD ohne fremde Hilfe fähig.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal