Geschacher nach der Bafög-Entlastung

Wie die Union versucht, Einfluss auf die Bildungspolitik der rot-grün regierten Länder zu nehmen

Seit Beginn des Jahres finanziert der Bund das Bafög allein und entlastet damit die Länder. Politiker der CDU/CSU nehmen die Vereinbarung zum Anlass, auf die Bildungspolitik der Länder einzuwirken.

Der Tonfall ist rau geworden in der Bildungspolitik. Ein Appell der Bundesministerin Johanna Wanka (CDU) an die Länder, »verantwortungsbewusst« mit den eingesparten Bafög-Mitteln umzugehen, sorgte sogleich für eine scharfe Antwort aus Schleswig-Holstein. Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) erklärte, ihr Land brauche keine klugen Ratschläge, wie es die Grundfinanzierung von Kitas, Schulen und Hochschulen sicherstellen solle. Die Antwort Richtung Berlin kam nicht unerwartet. Seit geraumer Zeit schwelt ein Konflikt zwischen Bund und Ländern wegen der Bildungsfinanzierung.

Die Streitigkeiten begannen mit der Verabschiedung der Bafög-Novelle im vergangenen Jahr. Neben einer Anhebung der Förderung vereinbarte die Große Koalition auch eine Neuerung bei der Finanzierung. Auf Wunsch der SPD wurden die Länder von ihrem Anteil an den Bafög-Kosten von 35 Prozent entbunden. Seit Januar 2015 übernimmt der Bund die komplette Zahlung der Ausbildungsförderung. Jährliche Entlastungen in Höhe von 1,17 Milliarden Euro sollen die Länder wiederum für die »Finanzierung von Bildungsausgaben im Bereich Hochschule und Schule verwenden«, hieß es. Dass diese Abmachung - vage formuliert, weil der Bund die Hoheit der Länder im Bildungsbereich nicht verletzen darf - für Zündstoff sorgen würde, war absehbar.

In der vergangenen Sitzung des Bundestags-Bildungsausschusses warfen Unionspolitiker den rot-grün regierten Ländern vor, gegen diese Vereinbarung zu verstoßen. Insbesondere Niedersachsen geriet in die Kritik, weil es die frei werdenden Gelder mitunter in die frühkindliche Bildung steckt und nicht, wie Bundesministerin Wanka es sich wünscht, vor allem in die Hochschulen investiert.

Fachpolitiker der Opposition wiesen die Vorwürfe der Union zurück. Kai Gehring, Obmann für die Grünen im Bildungsausschuss, sagte, es sei durchaus im Sinne der Vereinbarung, »wenn die Länder diese Handlungsfreiheit nutzen und selbst entscheiden, welche schul- und hochschulpolitischen Schwerpunkte sie setzen wollen«. Nicole Gohlke, Bildungssprecherin der Linksfraktion, erinnerte daran, dass es für den Bund verfassungsrechtlich gar nicht möglich sei, eine Bindung der Mittel vorzuschreiben.

Dennoch unternahm die Union den Versuch, eine Kontrolle über die Verwendung der Gelder durch die Kultusministerkonferenz (KMK) der 16 Bundesländer zu erreichen. Der Vorstoß wurde aber umgehend zurückgewiesen: Die Mittelnutzung sei »keine Angelegenheit länderübergreifender Koordinierung und fällt deshalb nicht in die Zuständigkeit der Kultusministerkonferenz«, lautete die Antwort der KMK.

Gohlke kritisiert in dem Konflikt insbesondere den Versuch der Union, einzelne Bildungsbereiche miteinander auszuspielen. Dabei müssten Kitas ebenso wie Schulen und Hochschulen angemessen unterstützt werden. Die frei werdenden Bafög-Mittel reichten aber allenfalls dazu aus, »die größten Lücken zu stopfen«, bemängelte sie. Auch Gehring findet es blamabel, »dass Deutschland selbst in wirtschaftlich guten Zeiten seine Bildungsinvestitionsziele verfehlt«.

Die Einwände mag Ernst Dieter Rossmann, Bildungsexperte der SPD, nicht abstreiten. Bund und Länder müssten insgesamt einen jährlichen Betrag von mindestens 20 Milliarden Euro ausgeben, um bei der Bildung mit anderen Industrieländern mithalten zu können, gibt er in Hinblick auf eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zu bedenken.

Tatsächlich investiert die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode aber lediglich sechs Milliarden Euro zusätzlich in die Bildung sowie drei Milliarden für die Finanzierung von Hochschulpakten und Forschungsprojekten.

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