Drei Welten
Tom Strohschneider über Athen, Juncker und Schäubles »Großzügigkeit«
Der politische Konflikt zwischen Athen und den Gläubigern, der in Wahrheit einer über die europäische Krisenpolitik ist und deshalb durchaus auch einer im Lager der Kreditgeber, wird auch durch Missverständnisse geprägt. Bisweilen geraten dabei jene aneinander, die sich näher stehen, als es in der veröffentlichten Meinung meist den Anschein hat.
Dass EU-Kommissionschef Juncker Athen öffentlich dafür kritisiert, ihn falsch wiederzugeben, ist nicht nur die Neuauflage einer Geschichte, die sich schon vor ein paar Tagen in anderer Gestalt zugetragen hat. Es ist auch, wie bei Wiederholungen üblich, eine Farce. Denn so sehr Juncker recht haben mag, wenn er sich verbittet, als Befürworter von Steuererhöhungen auf Strom und Medikamente bezeichnet zu werden, so wenig hat das Athen wohl behaupten wollen. In der als »allerletzter Vorschlag« apostrophierten Liste mit Bedingungen der Gläubiger taucht die Forderung auf - nur war Juncker nicht dabei, als sie im kleinen Kreis aufgelegt wurde.
Ein Detail - aber in der Sache dennoch relevant. Erstens, weil das Missverständnis über den Umweg von Schlagzeilen zur »Wahrheit« gerät. Und zweitens, weil so ein Bild aufrecht erhalten wird, in dem die existierenden Risse im Lager der Gläubiger unsichtbar gemacht werden, obwohl doch gerade hier von denen politisch angesetzt werden müsste, die den Austeritätskurs in der Krise ablehnen.
Nicht zwischen Juncker und Tsipras liegen Welten. Sondern zwischen dem EU-Kommissionschef, der die sozial ungerechten Steuererhöhungen als »schweren Fehler« bezeichnet, und Berlins Finanzminister Schäuble, der diese als Teil eines »außergewöhnlich großzügigen Angebots« verklären lässt.
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