Wandel durch Annäherung

Designierte Linksfraktionschefs Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch betonen Gemeinsamkeiten

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch waren sich in den vergangenen Monaten in einigen Fragen uneins. Nun wollen sie vor allem die Auseinandersetzung mit der Großen Koalition suchen.

Von großen Differenzen wollte Sahra Wagenknecht nicht reden. »In den Kernfragen sind Dietmar Bartsch und ich uns einig«, sagte die LINKE-Politikerin vor Journalisten in einem Raum des Bundestags. Ausnahmsweise hatten die beiden stellvertretenden Fraktionschefs gemeinsam zum Pressegespräch in der Sitzungswoche des Parlaments eingeladen. In der Regel wechseln sie sich mit dem Vorsitzenden Gregor Gysi ab. Doch nun gab es gute Gründe dafür, dass Wagenknecht, die dem linken Flügel zugeordnet wird, und der Linksreformer Bartsch zusammen auftraten. Nach dem Vorschlag der Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger gilt die Wahl von Bartsch und Wagenknecht für die Nachfolge von Gysi, der im Herbst nicht wieder antreten will, als sicher. Bevor sie ihre neuen Ämter überhaupt angetreten haben, schrieben diverse Medien über mögliche »Revierstreitigkeiten« der künftigen Doppelspitze, prognostizierten entweder »den großen Knall« oder »den Abnutzungskampf«.

Diesem Eindruck wollten die beiden LINKE-Politiker entgegenwirken. Freundlich zitierten sie sich bei ihrem Auftritt gegenseitig, wenn es um das Verhältnis zur SPD oder die europäische Krisenpolitik ging. Dass sie dieselben Ziele verfolgen, wollten Bartsch und Wagenknecht bereits im März vergangenen Jahres zeigen, als sie zusammen ein Papier mit dem Titel »Wir sind DIE Opposition« vorlegten. Darin hieß es etwa, dass rot-rot-grüne Debatten als solche eher wenig geeignet seien, »unser Profil zu schärfen«. Die LINKE solle eigenständig bleiben und »konsequente Oppositionspolitik« betreiben. Allerdings betonten Bartsch und Wagenknecht auch, dass sie grundsätzlich zu Gesprächen mit der SPD bereit seien. Die beiden LINKE-Politiker deuteten damit an, dass sie zu parteiinternen Kompromissen bereit sind. Ein Wandel durch Annäherung könnte somit auch für die unterschiedlichen Parteiflügel möglich sein.

Trotzdem kam es nach der Veröffentlichung des Papiers vereinzelt zu Differenzen. Bartsch stimmte Anfang April gemeinsam mit vier weiteren Genossen für einen Einsatz der Bundeswehr, die sich an der Vernichtung syrischer Chemiewaffen beteiligen sollte. Wagenknecht gehörte zur Mehrheit, die sich gegen den Einsatz stellte. Befürworter des Bundeswehreinsatzes argumentierten, dass es sich um einen Beitrag zur Abrüstung handele. Die Gegner fürchteten eine Aufweichung der linken Friedenspolitik. Davon kann bislang nicht die Rede sein. Vor und nach dem Einsatz zur Chemiewaffenzerstörung hat die Linksfraktion ohne große interne Debatten Einsätze der Bundeswehr zum Beispiel in Afrika und im Nahen Osten abgelehnt. Möglicherweise ist die Debatte über das Verhältnis der LINKEN zur Bundeswehr aber nur verschoben. Wenn die Partei eine Regierungsbeteiligung anstreben sollte, sind in diesem Bereich Kompromisse mit der SPD unausweichlich.

Der letzte größere inhaltliche Konflikt in der Linksfraktion wurde im Februar ausgetragen. Bei der Abstimmung über die Verlängerung des Kreditprogramms für Griechenland enthielt sich Wagenknecht. Wenig später erklärte sie, dass sie es »für einen strategischen Fehler« halte, »dass die große Mehrheit der Fraktion zugestimmt hat«. Auch wegen des Umgangs in der Fraktion mit abweichenden Meinungen wollte Wagenknecht nicht mehr für den Vorsitz kandidieren. Dass sie diese Entscheidung revidiert hat, dürfte auch daran liegen, dass Wagenknecht in der Griechenlandpolitik wieder mehr Unterstützer zu haben scheint, weil die vom Bundestag abgesegneten Programme der von der Linkspartei SYRIZA geführten Regierung nicht geholfen haben.

Kontroverse Debatten wird es in der Fraktion auch weiterhin geben. Diese dürften zunehmen, wenn Rot-Rot-Grün in den kommenden Monaten eine ernsthafte Option werden sollte. Dann wird sich zeigen, ob Wagenknecht und Bartsch verhindern können, dass diese Diskussionen aus dem Ruder laufen.

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